Paracetamol- und Ibuprofensaft aus der Rezeptur
Mit Lieferengpässen bei den verschiedensten Arzneimitteln kämpfen Apotheken immer wieder. Nun spitzt sich die Lage bei Fiebersäften mit Paracetamol für Kinder zu. Warum sind entsprechende Fertigarzneimittel derzeit so schwierig zu bekommen?
S. Siegler: Neben Paracetamol betrifft es bei uns auch Ibuprofen-haltige Darreichungsformen für Kinder. Außer Säften sind auch Zäpfchen aktuell nicht zu beziehen. Sie wurden von den Herstellern sogar aus den Winterbevorratungen gestrichen. Also keine guten Aussichten für die kommende Grippe-, Erkältungs- und Corona-Saison ab Herbst. Die Knappheit von Paracetamolsäften und -zäpfchen ist den Medien zu Folge zum einen der stark gestiegenen Nachfrage geschuldet. Gleichzeitig gibt es nur noch wenige Hersteller auf dem Markt, da die Produktion bei den geforderten günstigen Preisen kaum mehr kostendeckend ist. Als Paracetamol knapp wurde, griffen viele deshalb auf Ibuprofen-haltige Mittel zurück. Das hat dann ebenfalls zu einem Engpass geführt. Was jetzt mal wieder die Apotheken vor Ort ausbaden müssen.
Wie sieht die Lage aktuell bei euch in den Ertelt-Apotheken aus? Habt ihr noch Vorräte? Und welche Strategie fahren dein Chef und deine Chefin, um Kinder weiterhin mit Fieber-und Schmerzmitteln versorgen zu können?
S. Siegler: Wir hatten zum Glück noch Vorräte. Inzwischen haben wir uns auch eingedeckt mit Ausgangssubstanzen und geeigneten Packmitteln. Sobald die Bestände abverkauft sind, legen wir mit der Herstellung los. Wir haben unser Vorratspolster zeitlich für die Planung der rezepturmäßigen Herstellung genutzt, sodass wir lieferfähig bleiben. Parallel haben wir auch die Kinderärzte im Umfeld auf dem Laufenden gehalten und darüber Informiert wie das Vorgehen ist, wenn wir keine Fertigarzneimittel mehr haben sollten.
Wann dürfen Apotheken Arzneimittel auf Vorrat selbst herstellen, und was gibt es dabei gesetzlich zu beachten?
S. Siegler: Dies ist im Rahmen der 100er-Regelung und bei häufiger ärztlicher Verordnung im Defekturmaßstab grundsätzlich immer möglich. Wichtig ist, dass der Arzt auch wirklich die Individual-Rezeptur auf dem Rezept verordnet, denn diese ist deutlich teurer als das eigentliche Fertigarzneimittel. Würden Apotheken einfach die Individual-Rezeptur auf der Verordnung für ein Fertigarzneimittel abrechnen, käme es sicherlich zu Retaxationen. Wir haben deshalb die Ärzte vor Ort rechtzeitig informiert, wie sie die entsprechenden Rezepturen verordnen sollen. Aktuell besteht allerdings auch noch das Problem bezüglich fehlender Langzeit-Stabilitätsdaten und der Haltbarkeit. Die Ibuprofensaft-Rezeptur, für die wir uns entschieden haben, ist nur 14 Tage bei Lagerung im Kühlschrank haltbar. Das macht eine Herstellung im sehr großen Maßstab auf Vorrat fast unmöglich.
Die Personaldecke in den Apotheken ist ja bekanntlich zurzeit auch eher dünn. Lassen sich solche Sonderaufgaben wie die Herstellung von Fieber- und Schmerzmitteln in der Rezeptur auch mit wenig Personal stemmen? Wie sieht das bei euch aus? Wer übernimmt die Herstellung neben der normalen Rezepturtätigkeit?
S. Siegler: Wir in den Ertelt-Apotheken sehen das als unseren Auftrag zur ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, was ja laut Gesetz auch unsere Aufgabe ist. Daher wird da bei uns nicht lange diskutiert, sondern einfach gemacht. Das ist natürlich mit Arbeit und eventuell auch mit der einen oder anderen Stunde an Mehrarbeit verbunden.
Herstellungstipps
Sarah Siegler erklärt im Interview, wie die Herstellung von Paracetamol- und Ibuprofensaft in der Rezeptur funktioniert. Hier erfahren Sie mehr.
Wenn man sich die von dir geschilderte Vorbereitung und die Herstellung der Fieber- und Schmerzsäfte selbst anschaut, dann ist das mit Aufwand verbunden. Welchen Abgabepreis kann denn eine Apotheke für die Herstellung veranschlagen ohne auf den Kosten sitzen zu bleiben?
S. Siegler: Grundsätzlich versuchen wir natürlich schon, kostendeckend zu arbeiten. Viele dieser Fiebersäfte werden ja bei Kindern zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet. Wir haben uns auch entschlossen, statt 100- nur 50-Milliliter-Gefäße herzustellen. So können wir ressourcenschonender arbeiten. Denn bei dem kurzen Verfall wird sonst zu viel verworfen. Gleichzeitig können wir so auch doppelt so viele Kinder versorgen. Die Preise liegen ganz grob zwischen 15 und 20 Euro pro Stück. Die meisten Eltern, die in einer Notsituation mit einem kranken Kind sind, werden hoffentlich bereit sein, diesen Preis zu bezahlen.
Das Interview führte Stefanie Fastnacht