Beratungsfall: Trockene Kopfhaut

„Meine Kopfhaut schuppt sich und juckt sehr stark. Ich kratze mich sogar nachts, während ich schlafe und merke das gar nicht“, klagt die 80-jährige Frau Hermann der Apothekerin ihr Leid. „Und hören Sie mir bloß auf mit irgendwelchen Shampoos. Die sind teuer und bringen überhaupt nichts! Ich habe in dieser Apotheke schon einiges an Geld gelassen, aber ich glaube, ein gutes Olivenöl als Packung über Nacht würde mehr bringen. Daran verdienen Sie natürlich nicht so viel, stimmt’s?“ .

von Pia Krämer
01.05.2016

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Die Haut an unserem Kopf besteht, wie überall am Körper, aus verschiedenen Schichten und wird grob eingeteilt in Oberhaut (Epidermis), Lederhaut (Dermis) und Unterhaut (Subkutis). Die Subkutis besteht aus lockerem Binde- und Fettgewebe, das Energie speichert und den Kopf warm hält. Die darüber liegende Lederhaut bildet ein elastisches Geflecht aus Kollagenfasern. Sinneswahrnehmungen werden über hier angesiedelte Barorezeptoren ans Zentrale Nervensystem weitergeleitet – eine wohltuende Kopfmassage nehmen wir also über die Lederhaut wahr. Die Oberhaut unterteilt sich wiederum in fünf unterschiedliche Schichten, deren obersten drei aus abgestorbenen hornbildenden Zellen ohne Kern (Keratozyten) bestehen. Diese entstehen in den zwei tiefer liegenden Schichten, schieben sich Schritt für Schritt nach oben und werden dort kontinuierlich abgestoßen. Eine komplette Erneuerung der Epidermis dauert etwa 27 Tage. Zum Vergleich: Eine Schlange häutet sich nur etwa alle zwei bis drei Monate.

Produktbeispiele* für Shampoos bei schuppender Kopfhaut

(Haupt-)Wirkstoff

Produkte

Ciclopiroxolamin

Ciclosan ®, Stieproxal ®

Ketoconazol

Ket ® med, Terzolin ®

Piroctonolamin

Eubos ® Antischuppen, Roche Posay Kerium Cremeshampoo

Selendisulfid

Dermasence Selensiv, Selsun 2,5%

Urea

Allergika ® Mildshampoo 5%, Eucerin ® Dermocapilaire Kopfhautberuhigendes Urea Shampoo, Widmer Remederm leicht parfümiert

Zinkpyrithion

Alpecin Schuppen Killer, Ducray Squanorm (trockene Kopfhaut)

keiner/nur milde Pflege

Linola Shampoo, Physiogel Scalp Care

*ohne Anspruch auf Vollständigkeit (Stand Lauer-Taxe 01.05.2016)

Häufiges Haarewaschen, die Behandlung mit Haarkuren und Spülungen, heißes Föhnen, Stylingprodukte – das alles kann die Kopfhaut irritieren! Deren äußere Schutzbarriere, bestehend aus abgestorbenen Hornzellen und Lipiden, wird durchlässiger.

Lösungsvermittler in Pflegeprodukten waschen zudem die Lipide aus; die dadurch irritierte, „trockener“ werdende Kopfhaut reagiert darauf mit vermehrter Zellproduktion. Anhäufungen abgestorbener Zellen auf der Kopfhaut sind nun sichtbar – die Zellklumpen rieseln als trockene Schuppen auf dunkle Kleidung und können zu Juckreiz und Entzündungen führen. Exzessives Schwitzen sowie ausgedehntes Baden oder Schwimmen in gechlortem Wasser leisten hier ebenfalls Vorschub.

Innere Ursachen für einen trockenen Haut- (und auch Kopfhaut-)zustand können eine geringe Flüssigkeitszufuhr, Hormon- und Stoffwechselschwankungen (wie sie bei Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes mellitus vorkommen) sein oder durch einseitige Speisepläne hervorgerufene Nährstoffmängel (Zink, Retinol, Vitamin D, Niacin). Auch eine Arzneimitteltherapie (Glucocorticoide, Chemotherapeutika, Diuretika) kommt als Auslöser infrage.

Abzugrenzen von einer reinen Hauttrockenheit ist das seborrhoische Kopfekzem: Hier findet man sichtbare Entzündungsherde auf der geröteten, sich schuppenden Kopfhaut. Auslöser ist wahrscheinlich der Hefepilz Malazessia furfur, gegen den mit Antimykotika (Ketoconazol, Terbinafin), Selen- oder zinkhaltigen Shampoos vorgegangen wird.

Fallanalyse

Schon die Körperhaltung von Frau Hermann signalisiert Misstrauen: schräg gelegter Kopf, leicht verengte Augen, forsche, eher laute und schnelle Sprechweise ohne viel Melodie. Auch die kritische Stirnfalte und die verschränkte Armposition, die schon fast klischeehaft mit einer kritischen Einstellung verbunden werden, sieht die Apothekerin bei dieser Kundin. Kompetenz mit Fingerspitzengefühl ist nun gefragt – alle ungenauen oder widersprüchlichen Angaben werden mit großer Wahrscheinlichkeit direkt gegen sie verwendet!

„Danke für Ihre Offenheit“, beginnt sie das Gespräch mit einem Lob. „Ich will auch offen sein“, fährt sie fort. „Ich gebe Ihnen gerne das Olivenöl mit, 100 Milliliter kommen auf vier Euro. Klar bekomme ich Geld für meine Arbeit hier, deshalb liegt mir schon daran, dass es der Apotheke gut geht. Genauso wichtig ist mir aber auch gute Beratung, und Sie erinnern sich vielleicht, dass ich Ihnen vor zwei Wochen von dem Arthrosemittel, für das in Ihrer Fernsehzeitung geworben wurde, abgeraten habe. Wenn Sie Lust haben, informiere ich Sie gerne über das Thema ‚Trockene Kopfhaut‘. Sie schildern mir Ihre Situation und was Sie schon alles unternommen haben. Ich kann mir ein Bild machen und habe dann vielleicht noch einen Tipp für Sie. Was meinen Sie dazu?“.

Frau Hermann bleibt auf der Hut, entscheidet sich dann aber, das Angebot anzunehmen. Sie berichtet, dass sie schon gerötete, schorfige Stellen auf ihrem Kopf entdeckt hat, die auch durch das Olivenöl aus dem Supermarkt, das sie über Nacht aufgetragen hat, nicht besser wurden.

TIPP!

Jeder hat so seine „Lieblingskunden“ im negativen Sinne. Betritt ein solcher die Apotheke heißt es: nicht ins Backoffice verschwinden! Solche Kunden bieten eine nicht zu unterschätzende Chance als Trainingspartner für schwierige Beratungsgespräche. So kann z.B. geübt werden, auch offensichtlich vorgeschobene Einwände wertschätzend zu behandeln, sich körpersprachlich selbstsicher darzustellen und durch Fachkompetenz zu überzeugen.

Therapiemöglichkeiten

„Ich empfehle Ihnen, einen Termin bei einem Hautarzt zu machen“, rät die Apothekerin. „Was Sie mir schildern, hört sich nach einer Entzündung an. Manchmal kann ein eigentlich harmloser Hautpilz, den fast alle Menschen auf der Kopfhaut haben, diese Entzündungen auslösen. Der Arzt wird Ihnen etwas Wirksames verschreiben“. Bis zum Termin empfiehlt sie die Pflege mit einem milden rückfettenden Shampoo.

Gängige Anti-Schuppen-Shampoos wirken mit Inhaltsstoffen wie Zinkpyrithion oder Selendisulfid gegen die Schuppenbildung. Die enthaltenen Tenside, z.  B. Natriumlaurylsulfat oder Cocamidopropylbetain, sorgen für üppigen Schaum beim Waschen, können allerdings eine trockene Kopfhaut zusätzlich reizen. Harnstoffhaltige Zubereitungen halten hingegen die Kopfhaut feucht, Wirkstoffe wie Panthenol oder Linolsäure beruhigen die irritierte Haut, Polidocanol wirkt intensiv gegen den Juckreiz. Von innen können unterstützend die „Haut- und Haar-Mikronährstoffe“ Vitamin A, E, Biotin und Zink wirken.

Frau Hermann entscheidet sich für ein basisches, kaum schäumendes Shampoo, möchte aber auch eine Portion Olivenöl zum Auftragen über Nacht mitnehmen.

Praktische Tipps

Zum Schluss hat die Apothekerin noch ein paar Tipps: „Im Moment ist es ja schon richtig warm. Verzichten Sie so oft wie möglich auf das Haareföhnen oder wählen Sie die kühlere Stufe und föhnen Sie so kurz wie möglich. Das schont die Kopfhaut. Verzichten Sie weitgehend auf Haarpflegeprodukte wie Spülungen, Schaumfestiger oder Haarspray. Und gehen Sie ruhig täglich ein paar Minuten in die Sonne – das unterstützt die Heilung der Kopfhaut“.

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