COVID-19: Impfstoff dringend gesucht

So intensiv wie nach einem wirksamen Impfstoff gegen COVID-19 wird derzeit weltweit nicht noch einmal geforscht: Innerhalb kürzester Zeit sind bereits deutlich über 100 Impfstoffprojekte angelaufen.

von Kirsten Bechtold
20.05.2020

Impfen
© Foto: sorbetto / Getty Images / iStock
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Das Virus SARS-CoV-2 ist erst seit wenigen Monaten bekannt, dennoch gibt es bereits mindestens 121 Impfstoffprojekte weltweit. Diese Zahl nennt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) auf seiner Homepage (Stand: 07.05.2020).

Aktueller Podcast

Bis es jedoch einen wirksamen und sicheren Impfschutz gegen das Virus gibt, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Denn normalerweise dauert es von der Entwicklung bis zur Zulassung mindestens sieben bis acht Jahre oder deutlich länger. Auch wenn der Pandemiefall eine Beschleunigung zulässt, rechnen Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht vor 2021 mit einem zugelassenen Impfstoff.

Anlass zur Hoffnung, dass überhaupt in absehbarer Zeit ein Impfstoff gefunden wird, gibt die Aussage von Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, in dem am 5. Mai veröffentlichten Podcast „Corona aktuell“ der Bundesregierung. Hier schätzt er die Wahrscheinlichkeit für eine positive Impfstoffentwicklung als hoch ein.

Impfen schützen vor Infektionen

Wäre dann ein Impfstoff gefunden, könnte die Produktionskapazität zum Nadelöhr werden. Daher ist es für die Bekämpfung der Pandemie wichtig, mehrere Impfstoffprodukte zu entwickeln und zur Zulassung zu bringen. Nur dann lässt sich aus Sicht von Experten auch eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.

Laut dem vfa haben erste Unternehmen und Forschungsinstitute bereits angekündigt, ihre Produktionskapazitäten für einen COVID-19-Impfstoff auszuweiten. Einige werden darüber hinaus ihre Impfstoffe bereits großtechnisch produzieren, während die Erprobung mit Freiwilligen noch läuft – auch auf die Gefahr hin, die produzierte Ware entsorgen zu müssen, falls die Studienergebnisse negativ ausfallen sollten.

Impfstoffarten

Geforscht wird an ganz unterschiedlichen Impfstoffen. Drei Arten stehen dabei im Fokus: Lebendimpfstoffe mit Vektorviren, Totimpfstoffe mit Virusproteinen und genbasierte Impfstoffe.

Lebendimpfstoffe mit Vektorviren

Bei mehreren Projekten dienen harmlose Viren als Ausgangspunkt: zum Beispiel das Modifizierte Vaccinia-Virus Ankara (MVA), das Adenovirus Serotyp 26 oder das Virus aus Masernimpfstoff. Diese als Vektorviren bezeichneten Viren vermehren sich im Körper des Menschen, lösen jedoch keine Erkrankung aus. Wissenschaftler tauschen bei ihnen gentechnisch ein oder mehrere Oberflächenproteine durch SARS-CoV-2-Proteine. Sie „verkleiden“ quasi die bekannten Viren als SARS-CoV-2. Ziel ist es, dass das Immunsystem die so veränderten Viren als Erreger einer COVID-19-Infektion erkennt.

Geimpfte bauen dann, so hoffen die Forscher, einen Immunschutz auf, mit dem auch tatsächliche SARS-CoV-2-Viren abgewehrt werden können. Unter dem Dach des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung wurde ein Impfstoff entwickelt, der auf dem MVA als Vektor basiert. Noch im September könnte hier ein klinischer Test (Phase I) beginnen.

Totimpfstoffe mit Virusproteinen

Impfstoffe dieser Art enthalten entweder ausgewählte Virusproteine oder das ganze Material inaktivierter SARS-CoV-2-Viren. Diese Technologie wird zum Beispiel bei der Produktion von Impfstoffen gegen Hepatitis B oder Grippe eingesetzt.

Genbasierte Impfstoffe

Der Ansatz ist neu. Bisher ist noch kein genbasierter Impfstoff gegen irgendeine Krankheit auf dem Markt. Diese Art von Impfstoffen enthält ausgewählte Gene des Virus in Form von Messenger-RNA (mRNA), quasi einen Bauplan für das zu bekämpfende Virus. Die Informationen werden dann mittels Injektion (z. B. in den Muskel) – möglich scheint auch die nasale Gabe für mRNA-Impfstoffe – verabreicht. Sie sind weder infektiös, noch lösen sie eine Erkrankung aus. Der menschliche Körper stellt anschließend in bestimmten Körperzellen anhand des Bauplans das Oberflächenprotein des Virus her. Das kann im Fall von SARS-CoV-2 das Spike-Protein sein, eine Art Stachel auf der Außenhülle des Virus, mit dem es in die menschlichen Zellen eindringt, oder auch andere Virusbestandteile. Das Immunsystem erkennt den Erregerbestandteil und bekämpft ihn. In Folge davon wird eine schützende Immunantwort aufgebaut, die im Falle einer Exposition mit dem echten Virus die Infektion oder zumindest den Ausbruch der Krankheit verhindert oder ihren Verlauf abmildert.

Solche Impfstoffe hätten den Vorteil, dass von ihnen sehr schnell viele Dosen produziert werden könnten. Denn es entfällt im Unterschied zu den beiden anderen Impfstoffarten der Schritt des Anzüchtens der für die Impfung notwendigen Viren. Darüber hinaus können mRNA-Impfstoffe schnell an genetische Veränderungen von Viren angepasst werden.

Im April gab das Paul-Ehrlich-Institut grünes Licht für eine erste klinische Studie an einem mRNA-Impfstoff in Deutschland.

Quelle: vfa

Die sechs Etappen der Impfstoffentwicklung
© Foto: Quelle: vfa

STIKO-Impfungen

Gerade in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie ist ein allgemein guter Gesundheitszustand der Bevölkerung besonders wichtig. Ein umfassender Impfschutz gemäß den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) kann hierzu beitragen. Daher sollten routinemäßig anstehende Impfungen nicht vernachlässigt werden.

Guter Impfstatus schützt

Wie das RKI mitteilt, gibt es keine Hinweise darauf, „dass die Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) durch eine in zeitlicher Nähe verabreichte Impfung beeinflusst wird.“ Vielmehr werde der Impfling vor Infektionen geschützt, die ihn auch in der Pandemiezeit zusätzlich gefährden können.

Bei Symptomen einer Atemwegsinfektion gilt nach wie vor, die Impfung um zwei Wochen zu verschieben. Begleitpersonen von zu impfenden Kindern sollten weder Fieber noch Zeichen einer akuten Atemwegsinfektion aufweisen.

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