Diese Arzneimittel sind bei Herzschwäche gefährlich

(kib) Viele Herzinsuffizienz-Patienten nehmen Medikamente ein, die ihre Situation verschlechtern könnten. Das haben US-Kardiologen von der University of Michigan in Ann Arbor herausgefunden.

27.08.2020

Rotes Herz aus Puzzleteilen mit Stethoskop
© Foto: dny3d / stock.adobe.com
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Die Mediziner überprüften die Medikamentenverordnungen von 231 Patienten mit Herzinsuffizienz, die zwischen 2016 und 2019 in ihrer Klinik behandelt worden waren.

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Dabei registrierten sie einige Verschreibungen, die laut eines Statements der „American Heart Association“ von 2016 das Fortschreiten der Herzinsuffizienz begünstigen könnten. Am häufigsten waren dies Metformin – diese Bewertung kann man allerdings hinterfragen –, Kalziumkanalblocker, Antidepressiva, Sulfonylharnstoffe, Schmerzmittel und Hydroxychloroquin.

Schwierige Therapie

Kompliziert ist die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz häufig auch deshalb, weil die Patienten schon sehr alt sind und viele Begleiterkrankungen haben. Viele Arzneimittel sind wegen ihrer unerwünschten Effekte gerade für geriatrische Patienten problematisch.

In den USA wurden deshalb die Beers-Kriterien entwickelt, die Medikamente aufführen, die bei älteren Patienten möglichst vermieden werden sollten. In der aktuellen Analyse erhielten etwa dreiviertel der Patienten ein dort gelistetes Medikament, am häufigsten: Protonenpumpen-Inhibitoren, mit Abstand gefolgt von Kalziumkanalblocker vom Nicht-Dihydropyridin-Typ, Sulfonylharnstoffe und NSAID sowie Diuretika und Betablocker

Nach Angaben der Studienautoren erhielten alle Patienten zudem mindestens ein Arzneimittel, welche das Auftreten typischer Altersbeschwerden begünstigen kann Am häufigsten waren das Schleifendiuretika, die eine Urininkontinenz verschlimmern können, und Betablocker, die bei Älteren in einer erhöhten Sturzneigung und Depressionen resultieren können.

Das Weglassen solcher Medikamente ist laut der Studienautoren aber nicht immer die Lösung des Problems. So seien Diuretika die Grundpfeiler der Herzinsuffizienz-Therapie und würden hier deutliche Verbesserungen versprechen. Dementsprechend raten die US-Kardiologen davon ab, ausgerechnet diese Medikamente bei Patienten mit Herzinsuffizienz abzusetzen.

Etwas kritischer beurteilen die Kardiologen die Notwendigkeit einer Betablocker-Behandlung: Hier sei es wert, den routinemäßiger Einsatz bei Patienten mit Herzinsuffizienz zumindest zu überdenken, je nachdem, ob Betablocker zur Behandlung der Herzinsuffizienz oder anderer Begleiterkrankungen eingesetzt werden.

Problematische Arzneimittel-Kombinationen

Problematisch sind bei Patienten mit Herzinsuffizienz auch die oft konkurrierenden Arzneimittelverordnungen: Sprich, wenn die Behandlung einer Erkrankung die einer weiteren Komorbidität ungünstig beeinflusst. Am häufigsten war das bei den Konstellationen Herzinsuffizienz plus Diabetes und Hypertonie plus Diabetes der Fall. Insgesamt 39 Patienten erhielten einen Betablocker mit zusätzlicher alphablockierender Aktivität, obwohl bei Diabetes-Patienten von Betablockern aufgrund ihrer Effekte auf den Glukosestoffwechsel abgeraten wird.

Relativ häufig war die Kombination aus Herzinsuffizienz/Hypertonie mit einer Arthrose. Einige dieser Patienten erhielten nicht steroidale Antirheumatika, die wie oben beschrieben für herzinsuffiziente Patienten ungünstig sind.

Eine weitere häufige Kombination war eine COPD mit Herzinsuffizienz oder Bluthochdruck. 27 betroffene Patienten erhielten nichtselektive Betablocker oder einen Betablocker mit alphablockierender Aktivität. Betablocker sind bei COPD-Patienten nicht kontraindiziert und werden bei entsprechender kardialer Indikation sogar empfohlen, doch sollte hier bevorzugt zu kardioselektiven Betablockern gegriffen werden.

Fazit: Individuell und genau prüfen!

Deutlich wird an der aktuellen Analyse, wie komplex die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz sein kann, vor allem bedingt durch das zumeist hohe Alter und der häufig vorliegenden chronischen Begleiterkrankungen. Bei 74 Prozent ihrer Patienten haben die US-Ärzte eine Polypharmazie (mindestens zehn Medikamente) vorgefunden.

Ein häufiges Dilemma für Ärzte ist, wenn eine leitliniengerechte Behandlung einer Erkrankung die Situation einer anderen Komorbidität verschlechtern kann. Wichtig ist daher aus Sicht der Studienautoren, dass die Medikation von Patienten mit Herzinsuffizienz regelmäßig überprüft und ursprüngliche Verordnungen kritisch überdacht werden, um eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz zu vermeiden.

Die Entscheidung für oder gegen ein Medikament sollte auf die jeweilige Situation und auf die Bedürfnisse älterer Patienten abgestimmt werden, im Sinne eines patientenzentrierten Entscheidungsprozesses. Dies bedürfe einer guten Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen.

Quelle: Ärzte Zeitung

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