Ernährung in Zeiten von Corona

(kib) Schützt die „richtige“ Ernährung vor einer Infektion mit dem Coronavirus und welche Bedeutung hat diese im Falle einer Erkrankung? Professor Hans Hauner vom Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München gibt im Interview einen Überblick.

10.07.2020

Klein geschnittene Rohkost: Paprika, Karotten, Frühlingszwiebeln
© Foto: S. Spreidler / TUM
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Welchen Einfluss hat die Ernährung auf das Immunsystem?

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Prof. Hauner: Stark vereinfacht lässt sich sagen, dass eine Mangelernährung, die durch niedrigkalorische Kost entsteht, die Aktivität des Immunsystems schwächt. Dabei sinkt auch die Fähigkeit des Körpers, Entzündungen zu bekämpfen. Eine kalorienreiche Ernährung mit hohem Anteil tierischer Lebensmittel, wie sie für die deutsche Bevölkerung typisch ist, hat eine leicht entzündungsfördernde Wirkung. Eine pflanzlich betonte Kost wirkt eher entzündungshemmend.

Prof. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin,   Technische Universität München

Prof. Hans Hauner, Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, TUM
© Foto: Juli Eberle / TUM

Welche Ernährungsempfehlungen können Sie zum Schutz vor COVID-19 geben?

Prof. Hauner: Grundsätzlich empfehle ich eine bedarfsgerechte, ausgewogene Ernährung. Gleichwertige Alternativen sind eine vegetarische Ernährung und die Mittelmeerkost. Diese Ernährungsformen können zwar nicht vor Infektionen schützen, machen aber das Immunsystem fit und bringen den Körper in eine gute Verteidigungsposition.

Menschen mit Unter- oder Mangelernährung zählen zu den Risikopersonen mit erhöhtem Infektionsrisiko und schlechterer Prognose. Eine Mangelernährung findet sich häufig bei schweren Erkrankungen, aber auch bei älteren Menschen.

Was empfehlen Sie Personen mit nachgewiesener Infektion im Hinblick auf Ernährung?

Prof. Hauner: Der Körper muss weiterhin ausreichend mit Energie und allen wichtigen Nährstoffen, einschließlich der Mikronährstoffe, versorgt werden. Bei Krankheiten mit Fieber steigt der Energiebedarf um rund 13 Prozent pro Grad Temperaturerhöhung.

Gibt es Studien, die einen Zusammenhang von Ernährung und möglichen Corona-Infektionen zeigen?

Prof. Hauner: Erste Publikationen legen nahe, dass Adipositas ein bedeutsamer Risikofaktor für schwere Verläufe der COVID-19-Erkrankung ist. Eine aktuell publizierte rückblickende Analyse an 3615 Patienten mit COVID-19 aus New York ergab, dass Adipositas, definiert als BMI ≥30 kg/m2, vor allem bei Patienten im Alter unter 60 Jahren ein zweifach erhöhtes Risiko mit sich bringt, in eine Klinik bzw. auf eine Intensivstation aufgenommen zu werden. Bei einem BMI ≥35 kg/m2 und Alter unter 60 Jahren war das Risiko 3,6-fach erhöht, auf eine Intensivstation zu kommen. Eine Analyse von COVID-19-Patienten der Uniklinik der RWTH Aachen zeigte, dass Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) häufig eine Adipositas aufweisen. Derzeit wird jeden Tag eine neue Studie veröffentlicht, die ähnliche Befunde zeigt.

Ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (Supplementierung) sinnvoll?

Prof. Hauner: Es gibt plausible Argumente für Selen oder Vitamin D, die allerdings überwiegend aus Zellkultur- oder tierexperimentellen Studien stammen. Die Daten für den Menschen sind noch sehr dünn. Es gibt allerdings Hinweise, dass Vitamin D das Risiko für Lungenentzündungen reduzieren könnte. Daneben werden besonders sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole und Karotinoide empfohlen, die die Abwehrkräfte stärken sollen und auf ähnlichen experimentellen Methoden basieren.

Es fehlen aber gute kontrollierte Interventionsstudien am Menschen, sodass der Nutzen für Menschen mit einer Virusinfektion fraglich ist. Ich würde daher von einer Supplementierung eher abraten, wenn es keinen wirklichen medizinischen Grund gibt. Die aktuellen Empfehlungen für die Zufuhr von Mikronährstoffen beim gesunden Menschen haben Sicherheitsmargen, sodass selbst bei einem erhöhten Bedarf keineswegs zwangsläufig ein Mangel droht. Eine ausgewogene Ernährung stellt dem Körper die benötigten Mikronährstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung.

Quelle: TUM München

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