Für Kinderkrankheiten gibt es keine Altersgrenze

(kib) Eine 81-Jährige sucht ihren Arzt wegen Kurzatmigkeit und einem juckenden Exanthem auf. Was kann das sein? Die Diagnose überrascht.

von Dr. Beate Schumacher
31.05.2022

Seniorin
© Foto: Otto Durst / stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Als die Frau ihren Arzt aufsucht, leidet sie bereits seit einer Woche unter Kurzatmigkeit, zu der wenig später ein juckender Ausschlag hinzugekommen ist. Der Arzt empfiehlt zunächst nur supportive Maßnahmen. Am Folgetag hat sich der Zustand der Frau weiter verschlechtert, sie wird mit Fieber, schwerer Atemnot und Krankheitsgefühl stationär aufgenommen.

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Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich Bläschen und verkrustete Papeln auf geröteter Haut an Extremitäten und Körperstamm und im Gesicht; Handflächen und Fußsohlen sind ausgespart, auch die Schleimhäute sind nicht betroffen.

Erstinfektion im hohen Alter: Selten, aber möglich

Eine PCR von Material aus einem unreifen Bläschen bestätigt den klinischen Verdacht auf eine Infektion mit Varizella-Zoster-Virus (VZV); außerdem sind IgM- und IgG-Antikörper gegen VZV nachweisbar. Tests auf andere Viren und die Blutkultur sind negativ. Auch das Thoraxröntgenbild ist ohne Befund. Die Ärzte stellen die Diagnose einer Varizellen-Erstinfektion und verordnen Valaciclovir dreimal täglich 1 g für sieben Tage.

Die Ansteckung mit VZV erfolgt in der Regel über eine Tröpfcheninfektion ausgehend von Varizellenpatienten, möglich ist auch eine Schmierinfektion mit Bläscheninhalt oder über Speichel; eine Übertragung des Virus durch Kontakt mit Bläscheninhalt von Herpes-zoster-Patienten ist deutlich seltener.

Die allermeisten älteren Menschen haben in ihrer Kindheit Kontakt mit dem Virus gehabt. Dass eine 81-Jährige noch seronegativ ist und eine Erstinfektion durchmacht, sei eine Rarität, schreiben Marjan Haider und ihre Kolleginnen, die die Patientin im St. Joseph Mercy Hospital in Ann Arbor behandelt haben.

Mortalität viermal so hoch wie bei Kindern

Die Ärztinnen erinnern daran, dass die Erkrankung, die bei Kindern im Allgemeinen benigne und selbstlimitierend ist, bei Erwachsenen und bei Menschen mit Immundefizienz oder Immunsuppression schwer verlaufen kann. „Die Mortalitätsrate bei Erwachsenen ist viermal so hoch wie bei Kindern.“ Wichtig sei deswegen, bei einer Varizellen-Erstinfektion von erwachsenen Patienten auf Zeichen von Komplikationen und Folgeschäden zu achten.

Das gilt besonders für die Varizellenpneumonie, die bei 20 Prozent der Patienten auftritt. Die häufigste Komplikation sind bakterielle Superinfektion der Haut. In seltenen Fällen kann es zu ZNS-Manifestationen kommen, vorrangig zu meningealer Reizung und akuter zerebellärer Ataxie, aber auch zu Enzephalitis oder aseptischer Meningitis. Beschrieben sind außerdem Einzelfälle von Myokarditis, Nephritis, Arthritis und Hepatitis. Schwer erkrankte Erwachsene und immundefiziente Patienten sollten daher möglichst frühzeitig eine spezifische antivirale Therapie erhalten.

Quelle: Springer.Medizin.de

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