Gewässer-pH-Wert beeinflusst Umwelttoxizität von Medikamenten

(kib) Verschiedene Arzneistoffe scheidet der Mensch nach der Einnahme zum Teil unverändert wieder aus. Das belastet die Umwelt. Nun führten die Erkenntnisse einer Studie der Universität Tübingen zur Senkung des EU-Umweltgrenzwertes für das Schmerzmittel Ibuprofen.

08.05.2023

Landschaftsbild mit Gewässer und Sonnenuntergang
© Foto: chesterF / stock.adobe.com
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Ein Wissenschaftlerteam aus Tübingen, Athen und des Umweltbundesamtes prüfte die Wirkung von 24 größtenteils als Medikamente eingesetzten Stoffen auf die Entwicklung von Fischembryonen.

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Dazu entwickelte es ein praxistaugliches Modell für die zuverlässige Vorhersage der Toxizität von ionisierbaren Chemikalien in Gewässern. Hierzu zählen zum Beispiel die Schmerzmittel Diclofenac und Ibuprofen, der Cholesterinsenker Clofibrinsäure oder der Betablocker Metoprolol. Sie können in Abhängigkeit vom pH-Wert sowohl in neutraler als auch in elektrisch geladener Form vorliegen.

Natürliche Gewässer weisen wiederum verschiedene Säure-Base-Verhältnisse, gemessen als pH-Wert, auf, und haben dadurch einen Einfluss auf die Aufnahme der Arzneistoffe in die Zellen von Lebewesen und somit auch auf das Ausmaß der potenziell schädigenden Wirkung, zeigt die Studie.

Orientierung an Worst-Case-Szenarien

Als Testorganismus diente der Zebrabärbling, dessen sich entwickelnde Eier den Chemikalien ausgesetzt wurden. Bestimmt wurde jeweils der LC50-Wert, der diejenige Schadstoffkonzentration wiedergibt, bei der 50 Prozent der Fischembryonen sterben.

In der Studie testeten die Forscherinnen und Forscher die Toxizität  der Chemikalien bei bis zu vier verschiedenen pH-Werten von leicht saurem bis zu basischem Wasser in mehr als 1200 Einzelversuchen.

„Bei einigen Arzneimittelwirkstoffen wie zum Beispiel Diclofenac, dem Betablocker Propanolol und dem Antidepressivum Fluoxetin variierte der LC50-Wert bei den Fischembryonen mehr als tausendfach zwischen pH 5 und pH 9“, heißt es in der Mitteilung.

Für die Empfehlung von Grenzwerten müsse man daher von realistischen Worst-Case-Szenarien ausgehen, damit solche Stoffe bei Freisetzung und dem Zusammentreffen der denkbar schlechtesten Bedingungen die Lebewesen in Gewässern nicht zu stark schädigten. Dabei erwiesen sich die Stoffe im ungeladenen Zustand im Durchschnitt als toxischer als in ihrer ionisierten Form.

Achtfach niedriger Grenzwert für Ibuprofen

Die Ergebnisse für Ibuprofen wurden bereits Ende 2022 von der EU-Kommission für die Ableitung eines im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie bedeutenden Grenzwertes, der Umweltqualitätsnorm, berücksichtigt. Und zwar gilt hier nun ein achtfach niedrigeren EU-Gewässergrenzwert, als er nach der bisherigen Methode angesetzt worden wäre.

Das sei ein erster Anfang, so die Forschenden. Sie gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse auch künftig bei der Registrierung und Zulassung von Chemikalien berücksichtigt werden.

Quelle: IDW

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