Ist die Grippeimpfung für jeden sinnvoll?

(kib) Schutz vor Herzinfarkt, Verringerung der Antibiotikaverordnungen: Die Vorteile der Grippeimpfung gehen laut aktuellen Studien über den Schutz vor einer Influenzainfektion hinaus. Pneumologen plädieren deswegen dafür, die Indikation viel breiter zu stellen.

31.10.2018

Kranker Mann mit Fieberthermometer in der Hand
© Foto: Tomwang112 / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Anfang des Jahres machten Public Health-Experten aus Kanada Schlagzeilen mit einer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Erkrankungen an Grippe und dem Auftreten von Herzinfarkten. In den ersten sieben Tagen nach einer per Labortest bestätigten Grippediagnose war das Risiko, wegen eines Herzinfarkts ins Krankenhaus zu müssen, sechsmal so hoch wie in Vergleichszeiträumen ohne zeitlichen Zusammenhang mit einer Grippediagnose.

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Heißt das im Umkehrschluss, dass eine Influenzaimpfung auch vor Herzinfarkten schützen kann? Dafür spreche einiges, sagte Prof. Mathias Pletz vom Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene an der Universität Jena.

So war die Herzinfarktinzidenz in mehreren randomisierten Studien zur Grippeimpfung im Impfarm niedriger als im Kontrollarm. Schon vor fünf Jahren hat eine Metaanalyse den Nutzen der Impfung für ein Kollektiv von über 6700 Probanden aus sechs randomisierten Studien konkret beziffert: 2,9 Prozent der geimpften Probanden und 4,7 Prozent der Probanden in den Kontrollgruppen erlitten innerhalb eines Jahres einen Herzinfarkt.

Für Skeptiker in Sachen genereller Influenzaimpfung hatte Pletz noch ein weiteres Argument: Eine generelle Influenzaimpfung führe zu einer messbaren Verringerung der Rate an Antibiotikaverordnungen.

Auch das lässt sich präzise beziffern, und zwar anhand der kanadischen Region Ontario, wo der gesamten Bevölkerung schon seit dem Jahr 2000 eine Influenzaimpfung angeboten wird. Mithilfe von Modellrechnungen haben Wissenschaftler abgeschätzt, welcher Anteil der Antibiotikaverordnungen in der Region mit Grippeerkrankungen und deren Folgen in Zusammenhang stand. Sie kamen auf 2,7 Prozent vor Einführung des generellen Impfangebots und auf 1,1 Prozent in der Zeit danach, ein Minus um 60 Prozent.

Diese Verringerung wurde erreicht, obwohl der Anteil derer, die sich impfen ließen, nur von 18 auf 38 Prozent der Bevölkerung stieg. Es reicht also schon, wenn nur ein Teil der Anspruchsberechtigten mitmacht.

Pletz plädierte nicht zuletzt vor diesem Hintergrund für eine Ausweitung der Impfempfehlung: „Aus meiner persönlichen Sicht macht die Influenzaimpfung für jeden Sinn. Einige Krankenkassen bezahlen das auch.“

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