Medizinalcannabis: Aus BtM wird Rx

(kib) Seit dem 22. März ist die teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland beschlossene Sache. Das wirkt sich auch aus auf Cannabis zu medizinischen Zwecken: Aus einem Betäubungsmittel (BtM) wird ein verschreibungsfähiges Arzneimittel (Rx).

aktualisiert am 02.04.2024

01.04.2024

Cannabisblüten im Glas, Hanföl in Pipettenfläschchen und Arzt mit Stift in der Hand verschwommen im Hintergrund
© Foto: Proxima Studio / stock.adobe.com
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Mit der im Cannabisgesetz geregelten teilweisen Legalisierung des Cannabisbesitzes- und konsums ändert sich auch das Betäubungsmittelgesetz dahingehend, dass sowohl „Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen)“ als auch – nach zuletzt noch von der Koalition eingebrachtem Änderungsantrag – der synthetisierte, reine THC-Wirkstoff Dronabinol aus besagter Anlage III gestrichen werden. Damit wird aus einem eingeschränkt verschreibungsfähigen Betäubungsmittel nun ein rechtlich uneingeschränkt verschreibungsfähiges Arzneimittel.

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Fertigarzneimittel
  • Für Sativex entfällt die BtM-Pflicht, weil es ein Gemisch aus zwei Dickextrakten aus Cannabis enthält.
  • Canemes bleibt BtM (Grund: Nabilon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Cannabinoid, dessen Streichung ist im Cannabisgesetz nicht vorgesehen).

An Regelungen des BtM-Gesetzes angelehnt

Cannabis zu medizinischen Zwecken wird in das neue Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) überführt. Die Regelungen des MedCanG sind dabei an die Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt und tragen den Vorgaben der internationalen Suchstoffübereinkommen Rechnung. 

Das Cannabisgesetz ist in großen Teilen am 01. April in Kraft getreten. Daher ist auch der BtM-Status weggefallen. Die Regelungen zum Eigenanbau in Anbauvereinigungen sollen zum 01. Juli 2024 in Kraft treten.

Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes bleiben neben den Regelungen des MedCanG anwendbar, sofern das MedCanG für einen Bereich keine spezielleren Regelungen trifft. 

Sonder-PZN für E-Rezept entsperrt

Zur Abrechnung von Medizinalcannabis auf E-Rezept sind Ende März diese vier Sonder-PZN entsperrt worden:

  • 06460754 (Abrechnung von Cannabinoid-haltigen Stoffen in unverändertem Zustand)
  • 06461423 (Abrechnung von Medizinalcannabis aus deutschem Anbau, unverarbeitet)
  • 06461446 (Abrechnung von Medizinalcannabis aus Deutschland in Zubereitungen)
  • 06460671 (Abrechnung von Cannabinoid-haltigen Fertigarzneimitteln ohne PZN)

ABDA-Artikelstamm

Weil das Gesetz so kurzfristig in Kraft getreten ist, wird der ABDA-Artikelstamm erst zum 01. Mai angepasst. Medizinalcannabis ist bis dahin noch als BtM gelistet.

Jederzeit verordnungsfähig

Laut Paragraf 3 des MedCanG darf Cannabis „zu medizinischen Zwecken nur von Ärztinnen und Ärzten verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden“.

Mit der Reklassifizierung fällt damit nicht nur das Verordnungserfordernis auf Betäubungsmittelrezept – und damit jede Menge Bürokratie – weg. Auch die bis dato geltende betäubungsmittelrechtliche Hürde der THC-Verordnung, nämlich die therapeutische Alternativlosigkeit, gilt nun nicht mehr als unabdingbare Voraussetzung der Verordnungsbefugnis.

Bisherige Regelungen

Zur Erinnerung: Paragraf 13 des Betäubungsmittelgesetzes besagt im 1. Absatz, dass die in Anlage III des Gesetzes aufgeführten Betäubungsmittel nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht werden dürfen, „wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.“

Die so formulierte Alternativlosigkeit war zuletzt eigentlich nur noch für Privatverordnungen relevant. Denn in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt seit 2017 die in Paragraf 31 Absatz 6 SGB V ungleich schärfer formulierte therapeutische Letztoption, wonach gesetzlich Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Medizinalcannabis haben, „wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen kann“. Diese Einschränkungen betreffen aber eben nicht die Verordnungsfähigkeit als solche, sondern nur die Leistungspflicht gesetzlicher Kostenträger.

Abgabe nur über Apotheken

Cannabis zu medizinischen Zwecken darf nur über Apotheken an Endverbraucherinnen und Endverbraucher abgegeben werden und das nur gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung. Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Tierärztinnen und Tierärzte sind nicht zur Verschreibung berechtigt.

In bestimmten Fällen dürfen Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken Arzneimittel liefern. Der Versorgungsauftrag der Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken bleibt auf den üblichen Rahmen beschränkt.

Hintergrund

Das Cannabisgesetz (CanG) ist ein Mantelgesetz. Es besteht aus dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) und einem Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG).

Mit dem Inkrafttreten müssen bestehende Gesetze, die auch den Status von medizinischem Cannabis betreffen, abgeändert werden. So entfällt im Betäubungsmittelgesetz der Betäubungsmittelstatus von Cannabis. Die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und die Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung (BtMAHV) werden entsprechend an die Streichung von Cannabis aus der Betäubungsmittelliste angepasst, um sie mit der neuen Rechtslage in Einklang zu bringen.

Quelle: osborneclarke.com

Das Bundesgesundheitsministerium hat ein FAQ zum Cannabisgesetz erstellt.

Quelle: Ärzte Zeitung, Bundesgesundheitsministerium, ABDA, KBV

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