Medizinalcannabis: Schwerstkranke profitieren

(fast) Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die ärztliche Verordnung von medizinischen Cannabinoiden bei schwerwiegenden Erkrankungen erleichtert. Ihr Einsatz als Add-on kann helfen, Koanalgetika und Opioide einzusparen.

14.08.2023

Rezeptierung von Medizinalcannabis
© Foto: Jona Bastian / Getty images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Studien zufolge haben Cannabinoide lediglich einen unwesentlichen, statistisch nicht signifikanten Nutzen. Viele Schmerz- und Palliativpatienten erleben aber eine deutliche Besserung unter der Anwendung von Cannabinoiden, sagt Norbert Schürmann, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und Leiter der Abteilung für Schmerz- und Palliativmedizin am St. Josef Krankenhaus Moers.

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Einsatz als „Add-on-Medikation“

Prinzipiell gilt: Wissenschaftlich akzeptabel ist eine signifikante Verbesserung der Symptomatik um mindestens 50 Prozent. Nun werden Cannabinoide als „Add-on-Medikation“ verordnet, wenn die Standardtherapie nicht ausreichend zur Verbesserung beiträgt. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass keine Verbesserung unter der bestehenden Medikation stattgefunden hat. Eine weitere Verbesserung um 50 Prozent unter der Gabe von Cannabinoiden ist dann praktisch nicht möglich.

Cannabinoide sind keine Wundermittel

Schwerstkranke Patienten profitieren dennoch von einem Mehrfacheffekt der Cannabinoide. Sie wirken:

  • schmerzlindernd
  • antiemetisch
  • appetitanregend
  • schlaffördernd
  • muskelrelaxierend
  • psychisch entspannend

Richtig eingesetzt können Cannabinoide Schmerzen und Symptome lindern und so dazu beitragen, Opioide und Koanalgetika einzusparen. Damit wiederum könnte nicht nur die Schmerzlast des Patienten verringert werden, es ließen sich auch Opioid-bedingte Nebenwirkungen vermindern.

Die DGS hat ihre 2023 aktualisierte PraxisLeitlinie (PLL) Cannabis (noch nicht veröffentlicht, Stand Redaktionsschluss 01.08.23) nicht nur um diesen Aspekt – also die Reduktion von Opioiden und Koanalgetika als mögliche Indikation für den Einsatz und die Verordnung von Cannabinoiden – erweitert. Ebenso wurden chronisch schmerzhafte gynäkologische Erkrankungen, wie die Endometriose, sowie entzündlich-rheumatische Erkrankungen in den Indikationskatalog der PLL Cannabis aufgenommen, erläutert Norbert Schürmann.

Altersgrenze

Den Einsatz von Cannabinoiden bei Jugendlichen und Menschen unter 25 Jahren sieht die DGS allerdings weiterhin sehr kritisch und als kontraindiziert an. Auch bei geringem, kurzfristigem Konsum der hochgezüchteten THC-Blüten besteht die Gefahr einer akuten Psychose aufgrund des nicht abgeschlossenen Hirnreifeprozesses.

Was bedeutet der G-BA-Beschluss?

Der Beschluss des G-BA vom 16. März 2023 hat die ärztliche Verordnung von medizinischen Cannabinoiden bei schwerwiegenden Erkrankungen erleichtert. Dabei schöpft der G-BA den gegebenen Behandlungsrahmen sehr weit aus. Der Wegfall beziehungsweise die Verkürzung der Antragszeit trägt zu einer besseren Versorgung von schwerstkranken Patientinnen und Patienten bei.

Veränderungen und Erleichterungen in der Verordnung von Cannabinoiden
  • Die Erstverordnung von Cannabinoiden erfolgt nach Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen oder der Wechsel zu anderen Blüten oder Extrakten bedürfen keiner erneuten Genehmigung.
  • Eine Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts zur Verordnung von Cannabinoiden bei Patienten im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV).
  • Die Prüffrist der Krankenkassen verkürzt sich auf drei Tage bei Patienten, die sich in einer stationären Behandlung befinden sowie für schwerstkranke Patienten im Bereich der allgemeinen ambulanten Palliativversorgung (AAPV).

Quelle: Ärzte Zeitung

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