Rx-Boni-Verbot gerät ins Wanken

(run) Müssen sich ausländische Versandapotheken, wenn sie nach Deutschland liefern, an die hier geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten? Mit dieser Frage befasst sich aktuell der europäische Gerichtshof. Nach Ansicht des polnischen Generalanwalts Maciej Szpunar, der nun seine Schlussanträge vorgelegt hat, ist das zu verneinen.

02.06.2016

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© Foto: bluedesign / Fotolia
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Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen der deutschen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (ZBW) und der Deutschen Parkinson Vereinigung, über den das OLG Düsseldorf zu entscheiden hatte. Die Selbsthilfeorganisation hatte ihre Kooperation mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris u.a. mit einem Bonussystem für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel über die Versandapotheke beworben.

Die ZBW hält diese Werbung für unlauter, da das beworbene Bonusmodell gegen den gesetzlich festgelegten einheitlichen Apothekenabgabepreis verstoße. Das OLG Düsseldorf wiederum hatte in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingefordert und unter anderem wissen wollen, ob eine Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel mit dem freien Warenverkehr (Art. 34 und 36 AEUV) vereinbar ist. Im März konnten bereits Bundesregierung, ABDA und EU-Kommission ihre Positionen vor dem EuGH darlegen.

Wie das Rechtsportals juris.de nun mit Bezug auf eine Pressemitteilung des EuGH berichtet, hat der polnische Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen, dem OLG Düsseldorf wie folgt zu antworten:

„Die Art. 34 und 36 AEUV stehen einer durch nationale Rechtsvorschriften angeordneten Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie der nach § 78 des deutschen Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit der deutschen Arzneimittelpreisverordnung entgegen.“ 

Nach Ansicht des Generalanwalts beschränkt die Preisbindung den freien Warenverkehr. Begründung: Nehme man einem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, einen bestimmten Preis zu unterbieten, nehme man ihm einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit. Für Waren aus anderen Mitgliedstaaten als Deutschland ergäben sich daraus Schwierigkeiten, auf den deutschen Markt zu gelangen. Die Preisbindung stelle daher eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar (die nach Art. 34 AEUV grundsätzlich verboten ist).

Die strittige Preisbindung sei auch nicht als Verkaufsmodalität einzustufen, sondern als Handelshemmnis für Arzneimittel aus anderen Mitgliedstaaten. Eine nicht deutsche Apotheke würde indirekt diskriminiert, heißt es weiter. Und: Die in der Preisbindung liegende Beschränkung des freien Warenverkehrs sei weder aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt noch geeignet, eine gleichmäßige Versorgung oder die Qualität der Versorgung sicherzustellen.

ABDA reagiert enttäuscht

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärt zu den Schlussanträgen:„Wir bedauern, dass der Generalanwalt den ausländischen Versandapotheken ein Unterlaufen der deutschen Arzneimittelpreisvorschriften erlauben will. Dass er die Gründe des deutschen Gesetzgebers für eine grenzüberschreitende Preisbindung nicht für ausreichend erachtet, ist nicht nachzuvollziehen". Der Generalanwalt weiche zudem von der gefestigten Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Gerichte ab, wonach den EU-Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum im Gesundheitswesen zustehe.

Ob das EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts folgt, ist offen. Allgemein ist dies in rund 80 Prozent der Fälle so. Sollte sich der EuGH der Ansicht Szpunars anschließen, würde dies das Aus für Rx-Boni-Verbote im deutschen Apothekenmarkt bedeuten – zumindest dann, wenn sie von ausländischen Anbietern gewährt werden.

Mit einer abschließenden Entscheidung ist jedoch frühestens in drei bis sechs Monaten zu rechnen.

Quelle: juris.de /EuGH

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