So sollen Lieferengpässe bald der Vergangenheit angehören

(kib) Festbeträge und Rabattverträge für Kinderarzneimittel werden abgeschafft. Nicht verfügbare Medikamente dürfen auch künftig unter bestimmten Bedingungen ausgetauscht werden. Als Engpass-Pauschale sollen Apotheken 50 Cent erhalten. Das hat das Bundeskabinett gestern beschlossen, um Lieferengpässe künftig zu vermeiden. Die ABDA kritisiert die Regelungen als vertane Chance und auch die Pharmaindustrie ist nicht zufrieden.

06.04.2023

Hand zieht Apothekerschrank auf
© Foto: Stefanie Oberhauser / EXPA / picture alliance
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Mit dem gestern vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen (ALBVVG) soll die Versorgungssicherheit in Deutschland kurz- und langfristig gestärkt werden. Die Maßnahmen betreffen die Bereiche Fest- und Rabattverträge sowie die Versorgung mit Kinderarzneimitteln. Einige haben wir für Sie im Folgenden aufgeführt.

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Preiseregeln für Kinderarzneimittel gelockert

Für Kinderarzneimittel sollen Festbeträge und Rabattverträge abgeschafft werden. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages beziehungsweise Preismoratoriums-Preises anheben. Krankenkassen übernehmen die entsprechenden Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln. Künftig dürfen keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.

Antibiotika

Bei der Ausschreibung von Kassenverträgen zu Antibiotika muss künftig zusätzlich berücksichtigt werden, ob die Wirkstoffe in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum produziert werden.

Darüber hinaus sollen die Regeln zur Preisbildung von Reserveantibiotika so angepasst werden, dass der finanzielle Anreiz für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika für pharmazeutische Unternehmen verstärkt wird.

Zuzahlungsbefreiungsregeln ändern sich

Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln wird gesenkt: Statt heute 30 Prozent liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze künftig bei 20 Prozent. Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Der Preisdruck bei Festbeträgen soll dadurch gedämpft werden.

Vereinfachte Austauschregeln für Apotheken

Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, darf ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben werden. Dafür sind im Vorfeld zwei Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel notwendig. Für den mit dem Austausch verbundenen personellen und zeitlichen Mehraufwand sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer erhalten.

Zuzahlung auf verordnete Menge begrenzt

Können die verordneten Arzneimittel nur noch in Kleinpackungen abgegeben oder muss aus einer Packung eine Teilmenge entnommen werden, wird die Zuzahlung für die Versicherten auf die verordnete Menge begrenzt.

ABDA kritisiert Lieferengpassgesetz

Mit dem beschlossenen Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz wird eine große Chance verpasst, das Lieferengpassmanagement in den Apotheken ab dem Sommer abzusichern und zu verbessern, kritisiert die ABDA in einer Mitteilung. Die Beschlussvorlage enthalte weiterhin erhebliche inhaltliche Mängel, die Bundesrat und Bundestag nun im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beheben müssen, damit Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker den Verbraucherschutz von Millionen Patientinnen und Patienten auch künftig garantieren können, fordert die Interessensvertretung der Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland.

Pharmaindustrie übt Kritik

Auch die Pharmaindustrie ist mit dem vorgestellten Gesetzesentwurf alles andere als zufrieden. So kritisiert Pro Generika beispielsweise, dass zunächst nur Kinderarzneimittel und Antibiotika berücksichtigt werden. „Bei allen anderen Medikamenten bleiben die Problemursachen bestehen und die Versorgungslage, wie sie ist: wenig stabil und teilweise sogar prekär.“ Bemängelt wird außerdem, dass die Maßnahmen zur Stabilisierung der Versorgung mit Krebsmitteln wegfallen.

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht in den vorgeschlagenen Regelungen die grundlegenden Probleme unberücksichtigt. „Die Maßnahmen werden daher nicht zu der notwendigen Diversifizierung in den Lieferketten aller Arzneimittel und somit nicht zu einer umfassenden Verringerung von Abhängigkeiten führen“, heißt es unter anderem in der Pressemitteilung.

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, ABDA, BAH

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