Über den richtigen Umgang mit Stress

Menschen reagieren unterschiedlich auf den Urlaub und seine Auswirkungen. Diese fallen nicht nur positiv aus: Manche klagen über Stress, andere über zu wenig Erholung und noch andere über zu viel Arbeit.

von Nina Konopinski-Klein
29.08.2018

Frau im weißen Kittel am Arbeitsplatz steht unter Stress.
© Foto: gpointstudio / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
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Fallbeschreibung

Die Sommerferienzeit ist vorbei, und einige Mitarbeiter kommen aus dem wohlverdienten Urlaub zurück. Frau Meier tänzelt durch die Offizin, braun gebrannt, gut gelaunt und offensichtlich sehr entspannt. Im Gegensatz dazu Herr Fritz, der Apotheker. Auch er ist gerade gestern vom Urlaub zurückgekommen, macht jedoch keinen entspannten Eindruck. Er seufzt, stöhnt und reagiert gereizt auf alle und alles: „Man ist mit dem Urlaub doppelt bestraft. Zuerst muss man vor dem Urlaub alles vorbereiten und vorarbeiten und nach dem Urlaub die liegengebliebenen Berge von Vorgängen abarbeiten.“

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Eine Woche später beklagt er seinen Gesundheitszustand und das Gefühl, nie im Leben im Urlaub gewesen zu sein. Die Raumpflegerin, Frau Sauber, verdreht die Augen und lächelt milde: „Was redet ihr alle über Stress, das ist gerade ein Modewort. Früher hat man auch viel gearbeitet, und niemand klagte andauernd“.

Was ist überhaupt Stress?

Zum Thema Stress gibt es verschiedene Theorien. Frau Sauber hat in gewisser Weise recht im Unrecht. Der Begriff Stress ist alt und wurde bereits in den 1930er-Jahren von dem damaligen Medizinstudenten Hans Selye geprägt. Er beobachtete und beschrieb die verschiedenen Reaktionen der Menschen auf unterschiedliche Belastungen und erforschte daraufhin die Ursachen und Folgen. Im Alltag wird heutzutage unter dem Begriff Stress vieles zusammengefasst: „Man steht gerade unter Stress“, „hat Stress mit der Schule, Arbeit“, „Stress in der Familie“, sogar „Stress mit Freizeit oder Urlaub“.

Definition von Stress

Der Begriff Stress ist ein Synonym für Belastungen (z.B. sehr viele Aufgaben in sehr kurzer Zeit) – also einen externen Reiz der Umgebung. Die daraus folgende Belastungsreaktion bzw. Stress des Organismus kann

  • psychisch (genervt, ungeduldig, beängstigt, unruhig) oder
  • körperlich (schwitzen, erhöhter Puls, trockener Hals)

 sein.

Stress kann auch als Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt (belastende Situation und deren Bewertung) verstanden werden. Die Bewertung der Situation als Stress hängt dabei von der Einschätzung der Bewältigungsmöglichkeiten seitens der Person und des Schwierigkeitsgrades des Problems ab, also der Frage, ob es lösbar ist oder nicht.

Die Stressauslöser bzw. Stressfaktoren stören das psychische und physische Gleichgewicht des Menschen und zwingen ihn zu einer Neuanpassung an die Situation. Eine neue Aufgabe, Übergang in die Rente, viele Kunden, hohe Temperaturen, schlecht gelaunter Chef – all das sind Stressoren, die uns beeinträchtigen können.

Es gibt aber auch globale Stressfaktoren wie Klimakatastrophe, Wirtschaftskrise, Fluglärm usw. Wissenschaftlich wurde nachgewiesen, dass gerade die kleinen alltäglichen Stress-Situationen den größten negativen Einfluss auf unsere Gesundheit haben.

Wie kann man sich schützen? Vorschläge von Maßnahmen im Berufsleben:

Merkmale der Stressfaktoren nach Kaluza & Vögele (1999) 

Beispiele

 Empfehlenswerte Reaktionen

hohe Intensität

physikalische Stressoren:

  • Lärm

  • Hitze

  • Schadstoffe in der Luft

Umweltbedingungen verändern:

  • um Ruhe bitten

  • Klimaanlage

  • Veränderung der Umgebung und Ausgleich zu den Belastungen, wie z.B. regelmäßige Spaziergänge im Park oder Wald

lange Dauer

  • ein Teamkonflikt besteht seit einem Jahr

  • dauernder Streit bzgl. der Aufgabenteilung

  • Partnerschaftskonflikte

  • Schlussstrich ziehen

  • Aussprache bzw. Klärung fordern

Neuartigkeit

  • neue, bisher unbekannte Verkaufsstrategie

  • viele neue Produkte

  • neuer Vorgesetzter

  • Zeit investieren

  • sich in Ruhe mit dem Thema auseinandersetzen – auch bei der ursprünglichen Überzeugung, bei dem vielen Stress keine Zeit dazu zu haben, lohnt es sich sehr wegen der danach empfundenen Erleichterung

Unvorhersehbarkeit

plötzliche unerwartete Situation:

  • die Ware wurde nicht geliefert

  • mehrere Kolleginnen haben sich krank gemeldet

  • statt in Panik und Beschuldigungen zu verfallen, zusammen mit dem Team bzw. dem Vorgesetzten nach Lösungen suchen

Unkontrollierbarkeit

  • Rohrbruch

  • Einbruch

  • Mobbing

  • Ursachen wenn möglich schnell beheben

  • Verbreitung stoppen

  • Aktionspläne im Team für eventuell eintretende Störungen zusammen erstellen

Mehrdeutigkeit

  • Kollegen / Partner verhalten sich inkongruent / ungewohnt

  • unklare Aussagen

  • unverständliche Anweisungen

  • keine Vermutungen aufstellen bzw. eigene Theorien bilden

  • sofort um Klärung bitten

  • dabei nicht anklagen „Sie sind…“, sondern „Ich empfinde heute…“

Was kann Stress verursachen?

Perfektionismus

  • zu stark ausgeprägter Ehrgeiz
  • zu hohe Anforderungen an sich selbst

Bedürfnis nach Anerkennung

  • Angst vor Ablehnung
  • schwaches Selbstwertgefühl

Schlechte Zeitorganisation

  • Zu viele Verpflichtungen in der Arbeit und Freizeit
  • nicht loslassen können

Nicht delegieren wollen/können

  • nicht Nein sagen können
  • fehlendes Vertrauen an Fähigkeiten der Mitmenschen

Angst vor Verantwortung

  • mangelndes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen
  • Angst vor Misserfolg

Aus den Beispielen ist leicht ersichtlich: Meistens sind wir und unsere Auffassungen über Leben, Arbeit oder uns selbst die Ursachen von Stress. Daher eine kleine Empfehlung:

Nutzen Sie die nächste ruhige Minute, sei es im Urlaub oder beim Wochenendspaziergang, und identifizieren Sie Ihre Stressquellen und wie Sie dagegen vorgehen wollen. Hilfreich sind dabei Gespräche mit Freunden, Teamkollegen oder der Familie. Verschaffen Sie sich die Kontrolle über Ihre Stressfaktoren, denn dieses Gefühl der Kontrolle führt zu einer geringeren Stressbelastung.

Warum reagieren Menschen so unterschiedlich auf Belastungen?

Wie Menschen eine Situation bewerten (belastend und stressig oder leicht zu bewältigen), entscheidet ihre persönliche Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, mit den Anforderungen klar zu kommen. Die Bewertung der Situation bzw. des Ereignisses ist dabei auch wichtig. Sie wird aufgrund von mehreren Faktoren als kontrollierbar oder nicht kontrollierbar eingeschätzt.

Eine starke, stabile Erwartung in die eigenen Kompetenzen hilft, die meisten Situationen positiv und im eigenen Sinne zu meistern.

Die Quellen des Selbstvertrauens sind:

Eigene Erfolgserlebnisse: Holen Sie sich in Erinnerung, wie Sie ähnliche schwierige Situationen gemeistert haben. Welche Strategien haben Sie benutzt? Was hat Ihnen dabei geholfen? Wie haben Sie sich dabei gefühlt?

Stellvertretende Erfahrungen: Wie sind andere Personen mit solchen Situationen klar gekommen? Was würde die Ihnen wichtige Person dazu sagen? Wie hat z.B. Ihr Vorgesetzter die Personalgespräche geführt? Was hat Sie dabei überzeugt? Wie können Sie diese Erfahrung im eigenen Handeln berücksichtigen?

Verbale Ermutigung: Hören Sie auf Ihre Umgebung, ob die Menschen Ihnen eine bestimmte Aufgabe zutrauen. Ermutigen Sie selbst Ihre unsicheren Kolleginnen zu bestimmten Handlungen bzw. Aktionen.

Emotionale Erregung: Sie kennen Ihren Körper am besten. Wenn Sie in bestimmten Situationen Herzklopfen bekommen, schwitzen, anfangen zu stottern bzw. unsicher werden: Trainieren Sie solche Situationen alleine für sich (Rede vorm Spiegel), üben Sie Entspannungstechniken, nehmen Sie kleine Hilfestellungen (gedanklicher Spaziergang, kleiner Stein in der Tasche, der die Ängste aufsaugt). Hierzu gibt es mehrere Techniken. Es lohnt sich, diese zu erlernen.

Wie soll man sich gegen Stress schützen?

Die besten Mittel gegen Stress sind: Denken, Planen, Koordinieren und nicht zuletzt Entspannen (progressive Muskelentspannung, Meditation, Yoga). Meistens treten die stressigen Situationen nicht völlig unerwartet ein: Urlaub gibt es jedes Jahr (genauso wie Weihnachten), Kollegen werden krank, Menschen reagieren nicht so, wie man sich vorstellt, ein Fleck auf der Bluse vor einer wichtigen Besprechung usw.

Lassen Sie durch eine richtige Planung und Koordination der Aufgaben nicht zu, dass solche stressigen Situationen überhaupt aufkommen. Nutzen Sie Teambesprechungen, kollegiale Meetings, ruhige Minuten mit Ihrem Partner, und reden Sie darüber.

Die Fragestellung „Was wäre wenn …“ ist dabei hilfreich. Schon allein eine geistige, gedankliche Auseinandersetzung mit bestimmten Möglichkeiten lässt uns diese im Falle des Auftretens mit Gelassenheit und Zuversicht behandeln.

Tipp nach der Passungshypothese (Folkman, Schaefer & Lazarus, 1979):

Wenn eine Situation kontrollierbar ist, verändern und gestalten Sie diese (z.B. anstehende Überprüfung von Lagerbeständen, Auseinandersetzung mit Teamkollegen Teilnahme an einer unbeliebten Schulung usw.). Hier können Sie problemorientiert handeln. Suchen Sie nach Informationen oder, wenn nötig, materieller Unterstützung und planen die Lösung.

Wenn eine Situation unkontrollierbar ist, also keine Möglichkeit der Veränderung besteht, sollte sie akzeptiert und hingenommen werden (Verlust eines nahen Angehörigen, Kündigung, Nichtbestehen einer Prüfung). Hier helfen Strategien wie Umdeuten der Bedeutsamkeit des Ereignisses, Sinnfindung, Suche nach emotionaler Unterstützung, Ausdruck von Emotionen.

Eine entspannte, stressfreie berufliche und familiäre Umgebung ist Basis für Effizienz, Glück und zufriedenes Miteinander. Da wir ein Drittel des Lebens am Arbeitsplatz verbringen, lohnt es sich, in diesen Bereich zu investieren.

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