Valsartan: Kein akutes Patientenrisiko

(bs/kib) Dr. Beate Schumacher interviewte für die Ärzte Zeitung Prof. Bernhard Krämer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga und Direktor V. Medizinische Klinik am Universitätsklinikum Mannheim zum Rückruf von Valsartan-Chargen. Er betont: „Das gesundheitliche Risiko eines Absetzens wird vom Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte um ein Vielfaches höher eingeschätzt als das mögliche Verunreinigungsrisiko.

13.07.2018

Blutdruckmessgerät mit Manschette
© Foto: Andrey Popov / stock.adobe.com
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Ärzte Zeitung: Gibt es viel zu tun für die Deutsche Hochdruckliga (DHL) und die niedergelassenen Kollegen durch den Rückruf von Valsartan-Chargen?

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Prof. Bernhard Krämer: Die Deutsche Hochdruckliga, aber auch die niedergelassenen Hypertensiologen erhalten erheblich mehr Anfragen, und das während der Urlaubszeit. Das ganze Ausmaß lässt sich noch nicht absehen. Wir gehen davon aus, dass der Patient noch einmal in die Praxis kommen muss und ein neues Rezept braucht.

Es ist noch nicht einmal erkennbar, ob inzwischen alle betroffenen Medikamente gemeldet wurden beziehungsweise, ob noch mit weiteren Rückrufen zu rechnen ist. Wenn klar ist, welche Valsartane noch verfügbar sind, muss neu rezeptiert werden.

Sollte es zu Lieferengpässen kommen, verkompliziert das die Lage. Das ist vor allem bei Kombinationspräparaten zu erwarten. Unklar ist auch, ob der Patient noch einmal eine Rezeptgebühr entrichten muss. Sobald das alles bekannt ist, wird es viel Arbeit geben. Die Rückabwicklung darf finanziell nicht zulasten der Patienten und Ärzte gehen.

 

ÄZ: Wenn sich Patienten mit Valsartan-Therapie nicht von sich aus melden, sollte die Arztpraxis sie anrufen?

Krämer: Bislang liegen noch keine Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchen Konzentrationen die Verunreinigung in den hieraus hergestellten Arzneimitteln enthalten ist. Der Rückruf aller betroffenen Chargen erfolgt daher vorsorglich europaweit bis zur Klärung des Sachverhaltes. Ziel ist es, zum Schutz der Patienten kurzfristig europaweit harmonisierte Maßnahmen zu ergreifen.

Sollten sich Patienten aufgrund der Presseberichterstattung aktiv in der Arztpraxis melden, kann der Arzt auf andere Valsartan-Präparate ausweichen. Wir raten aber dazu, wie vom BfArM empfohlen, die weiteren Ermittlungen abzuwarten, die auch regeln werden, wie und von wem betroffene Patienten gegebenenfalls aktiv kontaktiert werden. Das BfArM sieht kein akutes Patientenrisiko.

 

ÄZ: Wie findet man heraus, welche Präparate kontaminiert sein können und welche sicher nicht betroffen sind?

Krämer: Die Arzneimittelkommissionen der Apotheker (AMK) und Ärzte (AkdÄ) informieren inzwischen im Internet über die betroffenen Medikamente beziehungsweise Chargen.

 

ÄZ: Wozu raten Sie, wenn ein Patient ein Präparat eines betroffenen Herstellers erhält?

Krämer: Wenn der Patient nicht auf die weiteren BfArM-Ermittlungen warten möchte und um Ausstellung eines Ersatzrezeptes bittet, sollte dem Wunsch gefolgt werden. Es besteht laut BfArM jedoch kein akutes Patientenrisiko. Das gesundheitliche Risiko eines Absetzens wird vom BfArM um ein Vielfaches höher eingeschätzt als das mögliche Verunreinigungsrisiko.

 

ÄZ: Falls es zu einem Engpass kommt oder der Patient nun Valsartan ablehnt, soll man dann ein anderes Sartan verordnen?

Krämer: Es gibt keinen medizinischen Grund, Valsartan aus unbedenklichen Chargen beziehungsweise von unbedenklichen Herstellern nicht weiter einzunehmen. Das Problem liegt nicht beim Valsartan selbst, sondern in Verunreinigungen von einigen Chargen, die vom chinesischen Hersteller selbst erkannt und den Behörden gemeldet wurden. Bei Lieferengpässen von Valsartan kann selbstverständlich auf andere Sartane ausgewichen werden.

 

ÄZ: Welches Sartan ist am ehesten vergleichbar – oder kann man irgendein Sartan verordnen?

Krämer: Bei Lieferengpässen von Valsartan können andere Sartane in möglichst äquivalenter Dosis verordnet werden.

 

ÄZ: Sollte der BD nach der Umstellung auf ein anderes Sartan erst einmal vermehrt kontrolliert werden?

Krämer: Bei einer Umstellung von Antihypertensiva sollten grundsätzlich häufigere Kontrollen der Blutdruckwerte erfolgen. Dies kann bevorzugt mittels Blutdruckselbstmessung erfolgen.

 

ÄZ: Haben Sie noch einen Rat für Ärzte oder betroffene Patienten?

Krämer: Die europäischen Behörden haben bewusst vorab die Öffentlichkeit über ihre Feststellungen informiert und erst danach begonnen, mögliche Lieferengpässe zu identifizieren und die Ersatzversorgung zu klären. Wir sollten die weiteren Ermittlungen der zuständigen Behörden abwarten. Nach Bewältigung des Rückrufs muss auf jeden Fall geschaut werden, welche Lehren wir hieraus ziehen können.

Quelle: Ärzte Zeitung

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