Was der Uringeruch verrät

(kib) Von blumig bis fischig: Weicht der Geruch des Urins vom üblichen Geruch ab, kann das auf eine Erkrankung hindeuten. Die Urologin Dr. Daniela Vierheller stellt 16 Geruchsnuancen vor und erklärt, was dahinter stecken könnte.

03.01.2023

Arzthelferin nimmt Urinprobe entgegen
© Foto: Gerhard Seybert / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)
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Patientinnen und Patienten beklagen gelegentlich olfaktorische Veränderungen ihres Urins. Für Ärztinnen und Ärzte können diese Abweichungen vom normalen Geruch wichtige Hinweise für die Diagnose liefern. Dr. Daniela Vierheller ist seit 2016 als Fachärztin für Urologie in der Praxis Urogate in Oberursel (Hessen) tätig. In der Ärzte Zeitung stellt sie verschiedene Geruchsnuancen vor – und möglicherweise zugrunde liegende Erkrankungen.

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Insgesamt 144 Uringerüche

Viele chemische Metaboliten sowie flüchtige organische Verbindungen, die mit dem Urin oftmals nur für wenige Stunden ausgeschieden werden, erzeugen typische Gerüche. Dabei liegen jedoch interindividuelle Unterschiede vor: Nicht jeder Mensch kann alle Urinveränderungen riechen, generell ist der Geruchssinn unterschiedlich ausgeprägt und nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab.

Forschende ordneten den vier Indexierungskategorien (duftend, holzig, fruchtig, ekelerregend) insgesamt 144 Gerüche zu. Die meisten Geruchsveränderungen des Urins können in die Kategorien „fruchtig“ und „ekelerregend“ eingeteilt werden.

Als Mittel zur Selbsthilfe bei stark riechendem Urin finden sich im Internet – dem gerade von jungen Menschen statt eines Arztbesuchs häufig präferierten Weg der Informationsbeschaffung – diverse fragwürdige Therapieratschläge, beispielsweise chlorophyllhaltige Nahrungsergänzungsmittel, die desodorierend wirken sollen.

Paradebeispiel „Spargelgeruch“

Der wohl berühmteste Vertreter der Auslöser eines spezifischen unangenehmen Uringeruchs ist der Spargel. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass aufgrund von genetischen Polymorphismen nur 38 Prozent aller Testpersonen den typischen „Spargelgeruch“ des Urins wahrnehmen konnten. 62 Prozent waren aufgrund einer Anosmie dazu nicht in der Lage, heißt es in dem Artikel der Ärzte Zeitung.

Berichten Patienten oder Kunden von olfaktorischen Veränderungen des Uringeruchs, sollte Beratende daher immer darauf hinweisen, dass die Geruchsveränderungen stets eine individuelle Wahrnehmung sind.

Urinzusammensetzung

Der Urin eines gesunden Menschen enthält hauptsächlich Wasser, Harnstoff, Elektrolyte, Kreatinin, Harnsäure, Vitamine, Hormone und Urochrome. Normaler Urin wird als nahezu geruchslos beschrieben.

Die vielfältigen Veränderungen des Uringeruchs umfassen sowohl völlig harmlose als auch schwerwiegende Ursachen. Ärztinnen und Ärzte sind bei oftmals nur temporär auftretenden Abweichungen des Uringeruchs von der subjektiven Beschreibung des Patienten abhängig, was die Diagnosestellung erschwert.

16 Nuancen

Vierheller nennt 16 Geruchsnuancen: alkoholisch, chemisch, fäkal, faulig, fischig, Katzenurin, lindenblütenartig, modrig, modriges Röstaroma, popcornartig, ranzige Butter, schwefelig, Schweißfüße, süßlich, süßlich-würzig und stechend-beißend.

Manche dieser Gerüche sind typisch für teilweise schwerwiegende metabolische Erkrankungen und dienen als verlässliches Leitsymptom. Diesbezüglich sollte dann auch eine weitere laborchemische Abklärung erfolgen, erklärt die Urologin in der Ärzte Zeitung.

Alkoholisch

Substanz: diverse; Klinisches Korrelat: Alkoholintoxikation, Harnwegsinfekt

Durch den Konsum von fermentierten Lebensmitteln resultiert je nach aufgenommener Menge ein alkoholischer Uringeruch. Die im Rahmen der Herstellung durch Fermentation entstehenden Aromastoffe werden mit dem Urin ausgeschieden, der Alkohol selbst ist geruchslos.

Ein Biergeruch des Urins kann bei einer Hefepilz-Infektion der Blase und gleichzeitig vorliegender Glucosurie auftreten und wurde 1984 von Mulholland und seinem Team erstmalig als „Bladder beer“ beschrieben.

Ein Wein-artiger Uringeruch (manchmal auch als Geruch nach Bananen oder ranziger Butter beschrieben) entsteht durch die Ausscheidung von n-Butanol, das in vielen Lebensmitteln wie Melonen, Äpfeln, Käse oder gekochtem Reis vorkommt.

Chemisch

Substanz: diverse; Klinisches Korrelat: Medikamente, Harninkontinenz

Ein chemischer Uringeruch kann durch die Einnahme bestimmter Medikamente (Fluorchinolone) oder eine Überdosierung an wasserlöslichen B-Vitaminen, zum Beispiel bei einer Supplementierung, auftreten. Nebenbei färbt sich der Urin durch die Aufnahme von Vitamin-B-Komplexpräparaten durch das enthaltene Riboflavin leuchtend-gelb.

Bei Patienten mit einer Harninkontinenz wurden vermehrt Aldehyde im Urin nachgewiesen, die zusammen mit anderen ausgeschiedenen Substanzen den typischen Inkontinenz-Geruch verursachen sollen.

Fäkal

Substanz: Skatol, Indol; Klinisches Korrelat: vesikointestinale Fistel, Harnwegsinfekt

Durch den enzymatischen Abbau der mit der Nahrung aufgenommenen Aminosäure Tryptophan im Darm durch die beispielsweise von Escherichia coli produzierte Tryptophanase entstehen die Substanzen Indol und Skatol. Gelangen diese zum Beispiel bei einer vesikointestinalen Fistel in den Urin, nimmt dieser einen fäkalen Geruch an. Liegt ein Harnwegsinfekt durch Escherichia coli vor, kann dieser enzymatische Prozess auch direkt in der Blase ablaufen und für fäkalen Uringeruch sorgen.

Faulig

Substanz: Cadaverin, Putrescin, Cholin; Klinisches Korrelat: nekrotisierender Tumor im Urogenitaltrakt, Lebensmittel, Medikamente

Ein fauliger Uringeruch entsteht durch die Polyamine Putrescin und Cadaverin bei nekrotisierenden Tumoren im Harntrakt. Putrescin kann auch im Ejakulat nachgewiesen werden und wird bei Männern mit einer retrograden Ejakulation mit dem Urin ausgeschieden.

Eine weitere Ursache von fauligem Uringeruch kann Cholin sein, eine quartäre Ammoniumverbindung, die in vielen Lebensmitteln (Lecithin, z. B. aus Eigelb, Erdnüssen oder Fleischprodukten) enthalten ist.

Auch Kreuzblütengewächse wie Brokkoli, Kohlarten und Senf können nach dem Verzehr einen fauligen Uringeruch erzeugen.

Und: Nach Einnahme des Mukolytikums Acetylcystein kann ebenfalls ein fauliger Uringeruch auftreten.

Fischig

Substanz: Trimethylamin; Klinisches Korrelat: Trimethylaminurie, bakterieller Infekt

Die Trimethylaminurie (auch: Fish-Odor-Syndrom) entsteht durch einen genetisch bedingten Enzymdefekt oder einen transienten Enzymmangel der Flavin-Monooxygenase der Leber oder durch eine übermäßige endogene bakterielle Trimethylamin-Bildung im Darm. Intermittierende Verlaufsformen treten häufiger bei Frauen abhängig von hormonellen Veränderungen (perimenstruell, orale Kontrazeption), aber auch bei Kindern auf. Nicht nur der Urin, sondern der gesamte Körpergeruch ist in diesem Fall stark fischig. Vorstufen des Trimethylamins sind Cholin und Carnitin, die Patienten mit dem Enzymdefekt diätetisch meiden sollten. Die Erkrankung zählt zu den seltenen Erkrankungen, wird aber häufig nicht erkannt.

Katzenurin

Substanz: 3-Methylcrotonylglycin, 3-Hydroxyisovaleriansäure; Klinisches Korrelat: 3-MCC-Mangel

Bei einem Mangel an 3-Methylcrotonyl-CoA Carboxylase (3-MCC) ist auch der Abbau von Leucin gestört. Die Erkrankung tritt mit einer Prävalenz von 1 bis 9:100.000 auf, wobei viele Betroffene einen subklinischen Verlauf haben. In Deutschland erfolgt kein Neugeborenenscreening auf diese Erkrankung. Bei schweren Verläufen treten bereits im Säuglingsalter metabolische Krisen auf, die durch schwere neurologische Symptome gekennzeichnet sind. Der Uringeruch wird als der von Katzenurin beschrieben und entsteht durch die Ausscheidung von 3-Methylcrotonylglycin und 3-Hydroxyisovaleriansäure.

Lindenblütenartig

Substanz: Aminoacetophenon; Klinisches Korrelat: Harnwegsinfekt

Durch eine Bakteriurie mit Pseudomonas aeruginosa kann der Urin nach Lindenblüten riechen. Manchmal wird der Geruch auch als „gummibärchenartig“ beschrieben. Verantwortlich ist Aminoacetophenon.

Modrig

Substanz: Phenylketone; Klinisches Korrelat: Phenylketonurie

Die autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie (Inzidenz 1:10.000, Deutschland) führt bei Aufnahme von L-Phenylalanin aus der Nahrung zur Akkumulation der Derivate, die auch mit dem Urin ausgeschieden werden. Besonders die anfallenden Phenylketone werden als modriger Uringeruch wahrgenommen (wie Mäusekot). Dieses Symptom war vor Einführung des Neugeborenenscreenings auf Phenylketonurie ein pathognomonischer Hinweis für das Vorliegen der Erkrankung. 

Modriges Röstaroma

Substanz: (Furfurylthio)ethan; Klinisches Korrelat: Lebensmittel

Nach dem Konsum von Kaffee wird vermutlich der für das Aroma zuständige Metabolit (Furfurylthio)ethan mit dem Urin ausgeschieden und kann als ein modriger Röstgeruch wahrgenommen werden. Ein Beleg dafür existiert derzeit jedoch noch nicht.

Popcornartig

Substanz: Pyrrolin; Klinisches Korrelat: Lebensmittel

Ein buttriger Röstgeruch des Urins wie von Popcorn kann nach dem Konsum von Reis, Weizen, Mais und Spinat beobachtet werden. Die Derivate des in diesen Nahrungsmitteln enthaltenen Aromastoffs Pyrrolin werden als Auslöser vermutet.

Ranzige Butter

Substanz: Methionin; Klinisches Korrelat: Hypermethioninämie

Eine Hypermethioninämie führt als seltene Stoffwechselerkrankung mit meist leichtem Verlauf (Hepatomegalie) zur vermehrten Methioninausscheidung im Urin. Der Geruch soll dem ranziger Butter oder gekochtem Kohl ähneln. Die Erkrankung ist nicht Teil des Neugeborenenscreenings in Deutschland.

Schwefelig

Substanz: S-Methylester; Klinisches Korrelat: Lebensmittel, Harnwegsinfekt durch E. coli

Nahrungsmittel wie Spargel, Knoblauch, Zwiebeln aber auch Kohl enthalten schwefelhaltige Verbindungen, die mit dem Urin ausgeschieden werden. Der Geruch wird als faulig-modrig bis stechend wie verfaulter Kohl beschrieben. Nach Verzehr dieser Lebensmittel entsteht durch die enzymatische Zersetzung der enthaltenen Asparagusinsäure S-Methylester ein schwefelhaltiger Metabolit, der für den unangenehmen Uringeruch verantwortlich ist.

Doch nicht jeder Mensch ist in der Lage, den Geruch von S-Methylester zu produzieren und/oder wahrzunehmen. Zudem können E. coli-Bakterien Schwefelwasserstoff bilden, der Geruch ähnelt dem fauler Eier.

Schweißfüße

Substanz: Isovaleriansäure und Derivate; Klinisches Korrelat: Isovalerianazidurie

Die genetische Erkrankung Isovalerianazidämie (Prävalenz 1:95.000) geht mit einem abnormen Metabolismus der Isovaleriansäure und Derivate einher, der zu einem enzephalopathischen Krankheitsbild mit metabolischer Azidose und Hyperammonämie führen kann.

Bei metabolischen Krisen kommt es zu einem Körper- und Uringeruch nach Schweißfüßen. Die Erkrankung wird zumeist bei Säuglingen diagnostiziert und ist Teil des erweiterten Neugeborenenscreenings in Deutschland.

Süßlich

Substanz: Keton; Klinisches Korrelat: Ketoazidose, Nahrungskarenz, fieberhafter Infekt

Ein süßlicher Geruch des Urins entsteht bei der Ausscheidung von Ketonen im Urin. Diese setzen sich aus Acetoacetat, Aceton und 3-Hydroxybutyrat zusammen. Eine Ketonurie tritt bei ansonsten Gesunden zum Beispiel nach längerer Nahrungskarenz oder speziellen Diäten, größeren Verletzungen oder Operationen, bei Fieber oder fettreicher Ernährung auf. Bei Diabetikern kann ein süßlicher Uringeruch hinweisend für eine Ketoazidose sein.

Süßlich-würzig

Substanz: Sotolon; Klinisches Korrelat: Leucinose (Ahornsirup-Krankheit), Lebensmittel

Ein Geruch nach Ahornsirup entsteht bei der Leucinose (auch: Ahornsirup-Krankheit), einer Stoffwechselerkrankung, bei der die Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin nicht mehr abgebaut und vermehrt mit dem Urin ausgeschieden werden.

Die Erkrankung wird zumeist bei Säuglingen diagnostiziert und ist Teil des erweiterten Neugeborenenscreenings in Deutschland. Der Uringeruch wird als süßlich-würzig, ähnlich wie Maggi oder verbrannter Zucker, beschrieben.

Ursächlich ist Sotolon, das auch bei ansonsten Gesunden nach dem Verzehr von bestimmten Sotolon-haltigen Nahrungs- und Genussmitteln wie Liebstöckel, Bockshornklee, Portwein oder Sake im Urin vorkommt.

Stechend-beißend

Substanz: Ammoniak; Klinisches Korrelat: Harnwegsinfekt, Dehydratation, Leberversagen

Ammoniakgeruch wird als stechend-beißend beschrieben und kann auch in schlecht gereinigten öffentlichen Toiletten wahrgenommen werden. Er entsteht bei einer bakteriellen Urease-Reaktion des im Urin enthaltenen Harnstoffs, beispielsweise durch den Urease-bildenden Harnwegsinfekterreger Proteus mirabilis.

E. coli-Bakterien sind in der Lage, mittels Tryptophanase aus der Aminosäure Tryptophan Ammoniak abzuspalten und können daher ebenfalls zu einem stechend-beißenden Uringeruch beitragen. Der Ammoniakgeruch kann aber auch bei einer Dehydratation oder Leberversagen auftreten.

Quelle: Ärzte Zeitung

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1 Kommentar

19.01.2024 - 10:16 Uhr
Kommentar von E. Schiller

Bei der Stoffwechselstörung des 3-MCC-Mangels riecht nicht der Urin nach Katzenurin, sondern die Luft, die man ausatmet und wenn es heftiger ist, auch die Körperhaut, weil man auch über die Haut diese Substanzen "ausdunstet".