Wie gefährlich sind Pseudoephedrin-haltige Erkältungsmittel?

In den vergangenen Jahren hat es laut einer Mitteilung der Deutschen Herzstiftung immer wieder einzelne Berichte gegeben, nach denen zuvor gesunde, oft junge Menschen nach Einnahme von Erkältungspräparaten mit Pseudoephedrin einen Infarkt, Schlaganfall oder ein anderes akutes schweres Ereignis erlitten haben.
Aus epidemiologischen Studien waren zuvor allerdings keine besorgniserregenden Wirkungen von Pseudoephedrin auf das Herz-Kreislauf-System bekannt geworden.
Hier soll das unter anderem von der Deutschen Herzstiftung gefördert Forschungsvorhaben Licht ins Dunkel bringen. Ziel ist es, herauszufinden, für wen und unter welchen Voraussetzungen Pseudoephedrin-haltige Mittel gefährlich werden könnten.
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Herzkranke sollten OTC-Kombinationsarzneimittel mit Pseudoephedrin nur auf ärztlichen Rat anwenden. So steht es in der Fachinformation. Und das nicht ohne Grund, zeigt ein aktuelles Fallbeispiel. Hier führte die Einnahme eines rezeptfrei erhältlichen Kombinationsarzneimittels zunächst zu Koronarspasmen und schließlich zum Herzinfarkt.
Frei verkäufliche Erkältungsmittel
Pseudoephedrin ist ein indirektes Sympathomimetikum, das, ähnlich wie Amphetamine (z. B. Ecstasy, Kokain), zur Freisetzung des Neurotransmitters Noradrenalin führt.
Noradrenalin verengt Gefäße und hat so zum einen die gewünschte abschwellende Wirkung in der Nase und den Nebenhöhlen bei Erkältungskrankheiten. Zum anderen wirkt es aber auch wie die genannten Rauschmittel aufputschend.
Mindestens 15 frei verkäuflichen Erkältungsmittel enthalten Pseudoephedrin, darunter Aspirin Complex, Boxagrippal, Grippostad Complex, Grippal Complex Doppelherz, RatioGrippal, Wick Duogrippal, Rhinopront Kombi, heißt es in der Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung.
Suche nach der zugrundeliegenden Gen-Konstellation
Da epidemiologische Studien keine statistisch nachweisbare ungünstige Wirkung von Pseudoephedrin auf das Herz-Kreislauf-System nachgewiesen haben, sei klar: „Diese schweren Nebenwirkungen müssen sehr selten sein!
Eine naheliegende Erklärung ist, dass eine besondere – seltene – Gen-Konstellation existiert, die einzelne Menschen dafür besonders empfänglich macht“, so die Vermutung des Pharmakologen Thomas Eschenhagen, Institutsdirektor Zentrum für Experimentelle Medizin Institut für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am UKE. Nach genau dieser Gen-Konstellation wollen die Forschenden im Rahmen des Projekts suchen.
Dazu müssen zunächst Fälle, in denen es zu solchen schweren Nebenwirkungen gekommen ist, gefunden werden. Das ist gar nicht so einfach, weil die Einnahme frei verkäuflicher Erkältungsmittel bislang nicht routinemäßig bei einer Medikamentenanamnese nach einem Herzinfarkt erfasst wird, heißt es in der Mitteilung.
Dies hat man am UKE nun geändert. Dort wird seit einigen Monaten bei Patientinnen und Patienten, die mit einem Infarkt eingeliefert werden, routinemäßig nach der Einnahme frei verkäuflicher Erkältungsmittel gefragt. Dafür wurde ein kurzer einseitiger Fragebogen (mit Bildern der in Frage kommenden Kombi-Präparate) entwickelt.
Zudem hat man am Universitären Herz- und Gefäßzentrum Hamburg des UKE begonnen, das eingelagerte Blut von Infarkt-Patientinnen und -Patienten der letzten Jahre auf Pseudoephedrin zu testen. Verglichen wird dann mit einer Gruppe von Patientinnen und Patienten, die aus anderen Gründen aufgenommen wurden.
Unterscheidet sich die Häufigkeit eines Pseudoephedrin-Nachweises in den beiden Gruppen? Vielleicht gibt es auch Infarktpatientinnen und Patienten mit Pseudoephedrin-Nachweis, die Koronarspasmen hatten, und die man nun im Nachhinein noch genetisch testen könnte? Ziel ist es, mindestens 20 Personen zu finden, die nach Einnahme der Schnupfenmittel gefährlichen Gefäßspasmen erlitten haben.
Gelänge es, Genvarianten zu identifizieren, könnten Menschen in Zukunft vielleicht einen Gentest machen, bevor sie zu den frei verkäuflichen Kombi-Erkältungsmitteln greifen. So könnte der gefährlichen Nebenwirkung vorgebeugt werden.
Quelle: Deutsche Herzstiftung