Zuckeraustauschstoff Erythrit in den Schlagzeilen

(kib) Erythrit (E 968) gilt als besonders gut verträglicher Zuckeraustauschstoff. Doch eine aktuelle Studie kratzt an diesem Image. Was ist passiert?

14.03.2023

Mehrzweckschaufeln mit Zucker, Süßstoffen und Zuckeraustauschstoffen
© Foto: mamamiapl / stock.adobe.com
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Erythrit wird häufig als kalorienfreie Zuckeralternative in energiereduzierten Lebensmitteln verwendet und gilt als gut verträglich. Nun zeigt eine Studie, dass die Substanz möglicherweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und die Blutgerinnung steigern kann.

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Gesteigerte Erythrit-Plasmakonzentration

Die Forschenden untersuchten die Blutproben einer Kohorte von 1.157 Personen, die ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Bei denjenigen, die über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren eine schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikation (z. B. Myokardinfarkt) hatten, fanden sie im Plasma erhöhte Konzentrationen einiger Zuckeralkohole (Polyole), darunter insbesondere der Zuckeraustauschstoff Erythrit.

Diese zunächst qualitativen Annahmen bestätigten sich in weiteren Analysen. Darüber hinaus ergaben Untersuchungen, dass sich durch Zugabe von Erythrit zu Blut oder Blutplättchen die Gerinnung beschleunigte.

Zuletzt wurde eine prospektive Interventionsstudie mit acht gesunden Personen durchgeführt, die ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk zu sich nahmen. Diese Menge ist laut Studie vergleichbar mit einer Dose handelsüblichem, künstlich gesüßtem Getränk oder 500 Milliliter Diät-Eiscreme.

Der Verzehr dieses Getränkes erhöhte den Erythritspiegel im Blut über einen Zeitraum von zwei Tagen so sehr, dass er laut den Forschenden weit über der Schwelle lag, bei der zuvor signifikante Hinweise auf eine veränderte Blutplättchenaktivität beobachtet wurden.

Zugelassener Zuckeraustauschstoff

Erythrit ist einer von derzeit acht in der Europäischen Union zugelassenen Zuckeraustauschstoffen und darf bestimmten industriell gefertigten Lebensmitteln ohne Mengenbegrenzung zugesetzt werden. Laut der letzten Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit im Jahr 2015 bestehen keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Verwendung von Erythrit.

Experten beurteilen die Studienergebnisse

Das Science Media Center Germany hat Forschende dazu befragt, wie der in der Studie gefundene Zusammenhang zwischen Erythrit und kardiovaskulären Komplikationen einzuordnen ist und welche Auswirkungen diese Erkenntnisse auf die Verwendung von Zuckeraustauschstoffen von sowohl vorerkrankten als auch gesunden Personen haben könnten.

Für eine Warnung vor Erythrit ist es zu früh

Laut dem Mediziner Dr. Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin, deuten die „Laborexperimente darauf hin, dass Erythrit in extremer Dosis direkt an den Blutplättchen die Gerinnungsempfindlichkeit steigert.“ Jedoch lassen sich aus seiner Sicht langfristige Wirkungen einer niedrigeren Dosis mit den Ergebnissen der Experimente nicht beurteilen. Auch beantworteten die Ergebnisse nicht, ob andere in der typischen Nahrung enthaltenen Stoffe diesen Effekt unter natürlichen Bedingungen aufheben.

„Pures Erythrit mag die Gerinnungssteigerung auslösen, Erythrit als Teil einer komplexen Ernährung vielleicht nicht.“ Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen sei es zu früh, bemerkte Kabisch. Der Wechsel zurück zum Zucker sei vermutlich nicht der gesündere Weg.

Viele Fragen offen

Auch Professor Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, sieht noch viele Fragen offen, zum Beispiel wie jüngere und gesündere Personen reagierten und ab welchen Mengen von Erythrit und/oder anderen Zuckerersatzstoffen ein solch schädlicher Effekt auftritt. Diese müssten zügig geklärt werden, bevor weitreichende Schlussfolgerungen gezogen werden könnten.

Dennoch: „Die vorliegende Arbeit beinhaltet wichtige Ansatzpunkte und zeigt einmal mehr, dass es dringend prospektive, kontrollierte Studien benötigt, welche die Auswirkungen einzelner Süßsubstanzen über einen längeren Zeitraum untersuchen“, so PD Dr. Bettina Wölnerhanssen, Ärztin und Leiterin der Forschungsabteilung, St. Clara Forschung, Basel, Schweiz.

Quelle: Science Media Center Germany

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