Rezepturarzneimittel: Verzicht unmöglich

Neben Individual- und Magistralrezepturen werden in der Apotheke auch Defekturen angefertigt. Dabei ist einiges zu beachten.

von Dr. Claudia Bruhn
01.04.2022

Defektursystem
© Foto: Sarah Siegler
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Rezeptur – Defektur

Unter einem Defekturarzneimittel versteht Paragraf 1a, Absatz 9 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) solche Arzneimittel, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs im Voraus an einem Tag in einer Menge bis zu maximal 100 abgabefertigen Packungen hergestellt werden.

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Dagegen basiert eine Individual- beziehungsweise Magistralrezeptur auf der Einzelverordnung eines Arztes oder eines Heilpraktikers (nur nicht verschreibungspflichtige Zubereitungen). Vereinfacht könnte man sagen: Alles, was keine Individual- oder Magistralrezeptur ist, verdient die Bezeichnung Defekturarzneimittel.

Viel Dokumentation

Seit der Novelle der Apothekenbetriebsordnung 2012 haben sich Arbeits- und Dokumentationsaufwand für die Rezeptur- und Defekturherstellung deutlich erhöht. Für nicht standardisierte Rezepturen muss etwa eine Plausibilitätsprüfung durchgeführt und protokolliert werden, zusätzlich sind eine schriftliche Herstellungsanweisung und ein Herstellungsprotokoll erforderlich.

Defektur

Da es sich bei Defekturarzneimitteln meistens um validierte Herstellungsvorschriften handelt, zum Beispiel aus dem NRF, kann die Plausibilitätsprüfung entfallen. Es werden aber neben Herstellungsanweisung und -protokoll zusätzlich eine schriftliche Prüfanweisung und ein Prüfprotokoll gefordert. Basis der Prüfanweisung ist eine Risikobewertung. Diese wird nach einer vom Europarat beschriebenen Evaluierungsmethode durchgeführt. Dabei geht es darum einzuschätzen, ob von einer Defektur eine Gefährdung für den Kunden/Patienten ausgeht und wie hoch diese ist. Mithilfe von fünf Risikofaktoren, in die unter anderem Wirkstoff- und Verfahrenseigenschaften, aber auch jährliche Produktionsmengen eingehen, wird ein Gesamtrisikoscore ermittelt. Falls er hoch ist, muss das Defekturarzneimittel spezifische Prüfungen (z.B. Gehaltsbestimmungen) durchlaufen. Ansonsten genügen einfache Prüfungen, etwa bei einer Suspensionssalbe auf Freiheit von Pulvernestern. Hilfestellung bei der Risikobeurteilung bietet PTA und Apothekern die DAC-Anlage J "Weitergehende Prüfung der Defekturarzneimittel".

Prüfanweisung-- Sie muss für jede Defektur in der Apotheke erstellt werden (ApBetrO, § 8 Defekturarzneimittel, Abs. 3). Darin sind die Probenentnahme und die Prüfmethode genau zu beschreiben.

Prüfprotokoll-- Für jede Defektur muss herstellungsbegleitend ein separates Prüfprotokoll erstellt werden. Darin ist die Prüfung laut Anweisung zu beschreiben und mit dem entsprechenden Ergebnis zu dokumentieren (ApBetrO, § 8 Defekturarzneimittel, Abs. 4).

Handlungshilfen und technische Unterstützung

Für die Arbeit mit Defekturen gibt es viele technische Hilfsmittel, zum Beispiel zur Abfüllung einer größeren Anzahl von Tuben. Aus der Fachliteratur kann man sich Unterstützung zu Fragen der Prüfung, Dokumentation und Beschriftung von Defekturarzneimitteln holen.

Beschriftung-- Sie weicht etwas von der bei Rezepturen ab. Folgende Angaben sind unbedingt notwendig:

  • Bezeichnung des Arzneimittels (einschl. Stärke, Darreichungsform und Zielgruppe)
  • Zulassungsnummer/Registrierungsnummer, sofern hiervon nicht freigestellt
  • Chargenbezeichnung, Datum der Herstellung
  • Hinweis auf Verschreibungs- oder Apothekenpflicht
  • Verwendungszweck bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.
Weiterführende Infos

Gesellschaft für Dermopharmazie

Die Gesellschaft für Dermopharmazie (GD) will Austausch und Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern verbessern und neue Erkenntnisse aus der Dermatologie verbreiten. Bei Hautarzneimitteln stehen Fertigpräparate und Magistralrezepturen im Fokus. Weshalb auf der Homepage neben Infomaterial rund um die Haut unter anderem ein Hygieneleitfaden sowie Wirkstoffdossiers für die Rezeptur zu finden sind. 

www.gd-online.de

       

   

ABDA

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände vertritt nicht nur die Interessen des pharmazeutischen Heilberuflers, sie setzt sich auch für eine einheitliche und hochwertige Arzneimittelversorgung ein. Zur Qualitätssicherung von in der Apotheke hergestellten Rezepturarzneimitteln tragen die auf der Homepage der ABDA veröffentlichten Rezeptur-Leitlinien bei, die sich am Stand der gültigen Gesetze und Verordnungen orientieren. 

www.abda.de

Weiterführende Literatur

Plausibilitäts-Check Rezeptur

Die Apothekenbetriebsordnung schreibt eine Plausibilitätsprüfung für jede neue Rezeptur vor. Mit Hilfe dieses Tabellenwerks lässt sich diese Aufgabe schnell und zuverlässig meistern. 

Andreas S. Ziegler , DAV, Stuttgart 2022, 245 Seiten, € 43,80, ISBN 978-3-7692-7827-9

     

   

Tabellen für die Rezeptur

Der Leitfaden unterstützt das pharmazeutische Personal ebenfalls bei der Plausibilitätsprüfung von Individualrezepturen. Er ist Teil des DAC/NRF und fasst die notwendigen Vorgaben übersichtlich und schnell auffindbar zusammen.

Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF (Hrsg.), Avoxa, Eschborn 2022, 96 Seiten, € 21,90, ISBN 978-3-7741-1605-4

   

  

Standardisierte Rezepturen

Die vorliegende Sammlung enthält mehr als 450 auf Praktikabilität geprüfte Rezepturformeln. Sie hilft, die Arzneimitteltherapiesicherheit, den Behandlungserfolg sowie die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheke zu verbessern. 

Pharmazeutisches Laboratorium des DAC/NRF Govi-Verlag , Eschborn 2022, 171 Seiten, € 22,90, ISBN 978-3-7741-1568-2

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