Serie Rezeptur: Cannabisextrakt

Die Abfüllung und Kennzeichnung von Eingestelltem Cannabisextrakt DAB erfordert keine große galenische Geschicklichkeit. Trotzdem gibt es im Umgang mit der Ausgangssubstanz in der Apotheke Einiges zu beachten.

von Stefanie Fastnacht und Sarah Siegler
30.05.2025

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© Foto: Sarah Siegler
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  • Eingestellter Cannabisextrakt ist seit 2020 im DAB gelistet.
  • Aus dem Ausgangsstoff wird durch Verarbeitung beziehungsweise Abfüllung und Kennzeichnung ein Rezepturarzneimittel hergestellt.
  • Der Extrakt kann zulasten der gesetzlichen Krankenkasse verordnet werden. Auch eine private Übernahme ist möglich.
  • Vor der Verarbeitung fällt eine Identitätsprüfung an. Diese kann mit einem validierten Schnelltest zum Nachweis von THC und CBD erfolgen.
  • Gehalt, Reinheit etc. können mit einem Prüfzertifikat des Ausgangsstoffherstellers nachgewiesen werden.

Eingestellter Cannabisextrakt (Cannabis extractum normatum) ist seit 2020 im Deutschen Arzneibuch (DAB) gelistet. Er wird aus den ganzen oder zerkleinerten, getrockneten Triebspitzen der weiblichen Pflanze Cannabis sativa L. durch CO2-Extraktion gewonnen, raffiniert und anschließend mit mittelkettigen Triglyceriden oder anderen Ölen wie Sesamöl auf den gewünschten Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) eingestellt. Neben den Cannabinoiden enthält Eingestellter Cannabisextrakt DAB weitere Inhaltsstoffe aus der Cannabisblüte, zum Beispiel Terpene und Flavonoide, die zur Wirkung beitragen. Der grünlich oder gelb bis braun aussehende Extrakt ist licht- und oxidationsempfindlich und sollte verschlossen, dunkel und kühl gelagert werden.

Aktueller Podcast

Serie Rezeptur

03/2025 Ambroxol
04/2025 Azithromycin
05/2025 Simvastatin
06/2025 Cannabis-Extrakt
07/2025 Sorbitol
08/2025 Insulin
09/2025 Imiquimod
10/2025 Propranolol
11/2025 Estradiol, Progesteron
12/2025 Clotrimazol

Wichtig-- Eingestellter Cannabisextrakt DAB steht mit unterschiedlichen Verhältnissen von THC zu CBD zur Verfügung. Da die Hersteller ihn aus unterschiedlichen, gezielt gezüchteten Pflanzen (Cultivaren) mit individuellen Extraktionsverfahren gewinnen, können die Formulierungen nicht gegeneinander ausgetauscht werden, selbst wenn der THC- und CBD-Gehalt übereinstimmen.

Hintergrund

Cannabisbasierte Arzneimittel werden vor allem gegen chronisch neuropathische oder durch Krebs verursachte Schmerzen und Spastiken infolge von Multipler Sklerose eingesetzt. Zu den weiteren Anwendungsgebieten zählen Übelkeit und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit und Kachexie (Auszehrung).

Pharmakokinetik von Cannabinoiden-- Nach dem Verdampfen und Inhalieren von Blüten tritt die Wirkung innerhalb von Sekunden bis Minuten ein und hält für etwa zwei bis drei Stunden an. Oralia dagegen beginnen erst nach etwa 30 bis 90 Minuten über einen Zeitraum von vier bis acht Stunden zu wirken. Nach etwa zwei bis vier Stunden erreichen sie den maximalen Effekt. Menschen, die unter Dauersymptomen leiden, erhalten deshalb oft eine orale Cannabistherapie. Inhalativa dagegen dienen zur Behandlung eines akuten Geschehens mit symptomfreien Intervallen oder werden mit Oralia kombiniert.

Die Rezeptur

Cannabisextrakt CannabiStada® Extrakt THC 50 CBD 25 CA (PZN: 18439481) 30 ml
30 ml enthalten 1.500 mg THC
Dosierung nach mitgegebenem Titrationsschema

Gut zu wissen

Die Gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten für das verschreibungspflichtige Arzneimittel. Kunden leisten eine Zuzahlung von zehn Prozent (höchstens 10 €). Auch eine private Kostenübernahme ist möglich. Seit Mitte Oktober 2024 müssen Hausärzte und Fachärzte (z. B. Palliativmediziner, Internisten) vor der ersten Verordnung von medizinischem Cannabis keine Genehmigung der Krankenkasse mehr einholen.

Problemanalyse und Lösungen

Bei Eingestelltem Cannabisextrakt DAB handelt es sich um einen Ausgangsstoff, aus dem in der Apotheke durch Verarbeitung beziehungsweise Abfüllung und Kennzeichnung ein Rezepturarzneimittel hergestellt wird. Daran gekoppelt ist die Pflicht zur Ausgangsstoffprüfung (Identitätsprüfung) und zur Herstelldokumentation.

Identitätsprüfung

Problem-- Eingestellter Cannabisextrakt DAB ist ein Ausgangsstoff, für den das DAB zur Identifizierung eine Dünnschichtchromatographie (DC) vorsieht. Die dafür nötigen Referenzsubstanzen sind teuer, und der Aufwand für eine DC einschließlich der Entsorgung der Chemikalien ist hoch.

Lösung-- Mittlerweile gibt es verschiedene Schnelltests zum Nachweis von THC/CBD in Cannabisblüten, Isolaten und Extrakten (z. B. Nimbus Health THC/CBD-Kombitest). Sofern diese validiert sind, dürfen sie zur Identitätsprüfung herangezogen werden (ggf. Abstimmung mit dem Pharmazierat!). Die Prüfsets beinhalten alle für die Identitätsprüfung von Cannabinoid-haltigen Ausgangssubstanzen notwendigen Materialien, inklusive einer ausführlichen Anleitung (variiert je nach Hersteller). THC wird dabei mittels hochspezifischen Immunoassay-Teststreifen nachgewiesen, CBD mittels einer speziellen Farbreaktion (rotorangener bis violetter Farbumschlag).

Stabilität

Problem-- Eingestellter Cannabisextrakt DAB ist, wie bereits erwähnt, licht- und oxidationsempfindlich. Dadurch reduziert sich die Haltbarkeit von Restmengen nach dem Anbruch der Gebinde. Werden in einer Apotheke selten cannabisbasierte Individualrezepturen hergestellt, müssen die Restmengen verworfen werden, was nicht nur aus kaufmännischer Sicht unrentabel ist.

Lösung-- Das pharmazeutische Personal sollte bei Prüf- und Herstellungsvorgängen von Eingestelltem Cannabisextrakt DAB zügig arbeiten und das Originalgefäß nach der Entnahme sofort wieder verschließen. Angebrochene Gebinde können durch Übergasen mit Argon vor Oxidation geschützt und dann dunkel und kühl in der Umverpackung gelagert werden. Zur Kostenersparnis empfiehlt es sich, immer die gesamte Menge des Originalgebindes vom Arzt auf Rezept verordnen zu lassen.

Packmittel

Problem-- Bei der Auswahl ist zu berücksichtigen, dass Eingestellter Cannabisextrakt DAB licht- und oxidationsempfindlich ist. Zur korrekten Einnahme ist außerdem eine Kolbendosierpipette notwendig, mit der milliliterweise, sehr exakt dosiert werden kann. Leben Kinder im Haushalt, ist das Abgabegefäß zudem mit einem kindergesicherten Verschluss zu versehen.

Lösung-- Die meisten Firmen bieten Herstellsets mit den notwendigen Packmitteln an. Allerdings sind diese teuer, und ein Teil des enthaltenen Materials wird oft nicht benötigt. Ein direkter Packmittelbezug (z. B. Wepa) ist bei häufiger Herstellung von cannabisbasierten Rezepturarzneimitteln in der Regel preisgünstiger.

Direktbezug

Problem-- Oft kann Eingestellter Cannabisextrakt DAB nicht über den pharmazeutischen Großhandel, sondern nur direkt über den Hersteller bezogen werden. Das gilt es bei der Rezepturplanung zu berücksichtigen und einen zeitlichen Puffer von mindestens zwei Tagen einzuplanen.

Lösung-- Wird Eingestellter Cannabisextrakt DAB regelmäßig verordnet, lohnt es sich, entsprechende Präparate an Lager zu legen (Achtung: oft kurzer Verfall). Alternativ lässt sich bei Dauermedikation berechnen, wann ein neues Rezept benötigt wird, um dann den Extrakt terminiert bei der Herstellerfirma oder dem pharmazeutischen Großhandel vorzubestellen.

Video: Cannabis-Extrakt in der Rezeptur

Praxisbeispiel

Frau Mathilde Mayer* überreicht PTA Sarah Siegler ein Rezept ihres Hausarztes. Die Kundin leidet an Krebs im Endstadium und erhält eine palliative Chemotherapie. Sie hat stark abgenommen und wenig Appetit. Um ihren Appetit anzuregen und so ihren Allgemeinzustand zu verbessern, bekommt sie ab sofort Eingestellten Cannabisextrakt DAB: Cannabisextrakt CannabiStada Extrakt THC 50 CBD 25 CA. Sarah Siegler liest sich die Verordnung durch und lässt sich von der Kundin das Dosierungsschema aushändigen. Sie bittet Frau Mayer um zwei Tage Zeit für die Herstellung und vereinbart, Bescheid zu geben, sobald der Extrakt abholbereit ist.

Plausibilitätsprüfung

Um einer Retaxation vorzubeugen, kontrolliert Sarah Siegler das Rezept von Frau Mayer sorgfältig. Die Dosierung gleicht sie anhand des Dosierungsschemas des Arztes ab. Zum Glück sind alle Angaben korrekt und die PTA kann die Verordnung als plausibel einstufen. Als Nächstes prüft sie die Verfügbarkeit der Ausgangssubstanz. Dabei stellt sie fest, dass das Kürzel „CA“ für ein Cultivar aus Kanada steht und der Extrakt direkt über den Großhandel geliefert wird.

Herstellungsanweisung

Hier notiert die PTA, für die Identitätsprüfung einen THC/CBD-Kombi-Schnelltest von Nimbus Health zu verwenden. Mittels Analysenzertifikat belegt sie die in der Apothekenbetriebsordnung Paragraf 11 festgelegten, weiteren Qualitätsanforderungen wie Reinheit und Gehalt. Das Zertifikat für die angelieferte Charge lädt sie im Fachkreisbereich auf der Website der Firma Stada herunter. Als Packmittel entscheidet sich Sarah Siegler für eine 30-ml-Braunglasflasche mit Einsatz für eine Kolbendosierpipette. Die Kolbendosierpipette legt sie separat bei. Im Anschluss lässt sie die Herstellungsanweisung von der diensthabenden Apothekerin unterschreiben.

Herstellung

Nachdem Eingestellter Cannabisextrakt DAB in der Hohenzollern-Apotheke eingetroffen ist, zieht Sarah Siegler ihre Schutzausrüstung aus Einmalkittel, FFP2-Maske, Schutzbrille und Einweghandschuhen an. Dann reinigt sie die Arbeitsfläche in der Rezeptur und desinfiziert sie mit Isopropanol 70 % (V/V).

Eingangsprüfung

Mithilfe des THC/CBD-Kombi-Schnelltests überprüft die PTA die Identität. Die Ergebnisse fotografiert sie und hängt die Bilder an das digitale Prüfprotokoll an. Als organoleptische Prüfung hält sie fest, dass eine braune, klare Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch vorliegt, und vermerkt, dass der Extrakt alle Qualitätskriterien erfüllt.

Abfüllen und etikettieren

Danach gießt sie den Extrakt zügig in eine 30-ml-Braunglasflasche, setzt den Einsatz für die Kolbendosierpipette ein und verschließt das Gefäß. Auf dem Etikett verweist sie auf das Dosierungsschema und lobt zusätzlich separat Folgendes aus: 1 ml Extrakt enthält 50 mg THC.

Abgeben

Bei der Abholung erklärt Sarah Siegler Frau Mayer die korrekte Dosierung des Extraktes. Sie soll die jeweils notwendige Menge auf ein Stück Brot tropfen, über das der Organismus die Cannabinoide gut aufnimmt. Zur Lagerung empfiehlt die PTA einen dunklen, kühlen Ort. Um bei etwaigen Polizeikontrollen keine Schwierigkeiten zu bekommen, schlägt sie Frau Mayer einen Patientenausweis vor und händigt ihr eine Kopie des Rezeptes aus, die sie immer mit sich führen soll.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden, sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer von drei Rezepturhilfehotlines ein.

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