Brustwarzen-Tattoos: Wieder ganz Frau sein

- Brustwarzen-Tattoos tragen zum psychischen Wohlbefinden nach Brustkrebs und Operation bei.
- Für Brustwarzen gibt es mehr als 20 Tattoofarben. Sie werden in Deutschland nach der REACH-Verordnung produziert.
- Die Tattoofarben sind sterilisiert, miteinander mischbar und werden nur einmal verwendet.
- Eine ärztlich anerkannte Leistung ist das Tätowieren der Brustwarzen nicht. In Einzelfallentscheidungen werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen.
Als Fachärztin für Strahlentherapie in der Radiologischen Allianz Hamburg, einem Zusammenschluss freiberuflich tätiger und unabhängiger Fachärzte, hat Dr. Julia Precht täglich mit Brustkrebspatientinnen zu tun, die durch die Operation eine oder beide Brustwarzen verlieren und sich im Anschluss nicht mehr vollständig fühlen. Wenn diese es wünschen, hilft sie ihnen mit einem Brustwarzen-Tattoo.
Psychisch belastend
„Eine fehlende Brustwarze wirkt optisch sehr irritierend. Viele Frauen schämen sich dafür und sind dadurch psychisch sehr belastet. Dank eines Brustwarzen-Tattoos fällt auf den ersten Blick überhaupt nicht auf, dass die Brustwarze fehlt. Diese Frauen können sich wieder ungeniert im Schwimmbad oder in der Sauna bewegen und betrachten sich auch wieder gern im Spiegel. Das kann einen enormen Effekt auf das psychische Wohlbefinden haben“, erklärt Precht.
3-D-Technik
Die Ärztin, die zuvor bereits Patienten mit Haarausfall mittels Permanent-Make-up Augenbrauen pigmentiert hat und damit ein wenig mehr Kontrast verleihen konnte, suchte deshalb nach einer Ausbildungsmöglichkeit im Bereich medizinisch-rekonstruktiver Tätowierung. Fündig wurde sie bei Andy Engel, einem Tätowierer, der sich auf Brustwarzenrekonstruktion per Tattoo spezialisiert hat. Bei ihm hat sie sich in einer 3-D-Technik ausbilden lassen. Dabei wird mit Schattierungen gearbeitet, die optisch die Brustwarze dreidimensional erscheinen lassen.
„Mich erfüllt die Arbeit als Tätowiererin sehr, auch wenn ich primär Radioonkologin bin und das auch immer mein Hauptarbeitsbereich sein wird“, erzählt Precht. „Doch ich sehe jetzt die Patientin zeitverzögert nach der Therapie wieder, in einem ganz neuen Lebensabschnitt, was mir noch einmal einen anderen Einblick gibt.“
Die Ärztin arbeitet mit unterschiedlichen Brustkrebszentren in Hamburg zusammen. Ihre Patientinnen kommen allerdings aus dem ganzen Bundesgebiet. Denn es gibt nur wenige, die eine solche Tätowierung überhaupt anbieten, und Precht ist die Einzige, die in dieser speziellen Methode ausgebildet wurde.
Anders als beim Permanent-Make-up, bei dem freihändig pigmentiert wird, macht die Medizinerin vor der Brustwarzen-Tätowierung immer eine individuelle Blaupause, die sie als Vorlage platziert. Patientinnen können unter verschiedenen Fotovorlagen auswählen. Tätowiert wird dann immer im Sitzen, denn die Brustform verändert sich im Liegen. Je nachdem, wie operiert, ob und welche Haut transplantiert wurde und wie die Narbe verläuft, kann das Ergebnis unterschiedlich ausfallen.
Für die Brustwarzen gibt es mehr als 20 Tattoofarben, die in Deutschland entsprechend der REACH-Verordnung produziert werden. Je nach Hauttyp und Wunsch der Patientinnen können diese gemischt werden. Die Farbtöpfchen sind sterilisiert, anders als im allgemeinen Tattoobereich. Sie werden nur einmal verwendet und dann entsorgt. Der Materialpreis liegt daher auch höher, berichtet Precht.

© Foto: privat
Fehlende Brustwarzen wirken optisch irritierend. Operierte Frauen schämen sich oft dafür. Brustwarzen-Tattoos kaschieren die Leerstelle und sorgen dafür, dass Betroffene sich wieder wohler fühlen.
Keine Regelleistung
Eine ärztlich anerkannte Leistung ist das Tätowieren nicht. Es gibt keine eigene Abrechnungsziffer für Ärzte. Das Tätowieren ist allerdings an die operative Brustwarzenrekonstruktion angelehnt. Einige Operateure bieten es als Teil der Operation an und können die Leistung darüber abrechnen. Die wenigsten haben jedoch das professionelle Tätowieren der Brustwarze gelernt.
Die Kosten für ein Brustwarzen-Tattoo von Precht liegen derzeit bei 1.963,50 Euro. Darin enthalten ist eine Nacharbeitsgarantie von 1,5 Jahren. „Ich brauche etwa drei Stunden bei der ersten Behandlungssitzung. Je nachdem, wie die Haut reagiert und wie schnell es zu Rötungen kommt, gibt es einen Folgetermin, denn sobald die Haut sich rötet, sind die Hauttöne der Tattoofarben schlecht zu erkennen“, erklärt Precht. Da sie Ärztin ist, stünden die Chancen gut, dass die Kassen das Tattoo als Einzelfallentscheidung bezahlen. „Bei einigen geht das sehr problemlos. Bei anderen muss man einen Widerspruch einlegen, auch dann klappt es häufig“, sagt Precht.
Zu der Medizinerin kommen auch einige Patientinnen, die unzufrieden sind mit vorherigen Brustwarzen-Pigmentierungen. Auch diesen versuche sie zu helfen. Das sei aber oft sehr aufwändig. Hinzu komme, dass sich Hautfarben nicht immer weglasern lassen.
Vorteile gegenüber Rekonstruktion
Eine plastische Brustwarzenrekonstruktion sei auch möglich, doch oft halte diese nicht. Einige Operateure verwenden dafür Haut aus dem Augenlid und straffen damit gleich die Augenpartie. Doch dabei fehlt der Brustwarze die Farbe, und auf der dünnen Haut des Augenlids lässt sich nicht gut tätowieren, weiß die Ärztin aus Erfahrung.
Als sie sich zur rekonstruktiven Tattoo-Ausbildung entschlossen hatte, sei sie sich vorgekommen, als ob sie sich bei einer Kunsthochschule bewerbe. Die Ärztin konnte bereits früh fotorealistische Bilder zeichnen, was ein Vorteil ist und ihr bei der Arbeit hilft: „Ich habe einen Blick dafür.“ Geübt hat sie das Tätowieren auf Silikonoberflächen, mit denen beispielsweise auch Chirurgen das Nähen üben.
Ihre Patientinnen kommen für das Tätowieren entweder in eine gynäkologische Praxisklinik, mit der Precht kooperiert, oder in ein Studio für Permanent-Make-up, in das sie sich eingemietet hat. „Dort ist die Atmosphäre angenehm und nicht klinisch, die Frauen bekommen einen Kaffee, es läuft Hintergrundmusik, und sie können mit mir auf Augenhöhe über ihre Krebserkrankung sprechen“, berichtet Precht. Es sei für viele ein Aufbruch in ein neues Leben, da komme bei manchen noch einmal einiges aus der Vergangenheit hoch.