Elly Heuss-Knapp: Die erste First Lady

Sie war die Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss und noch viel mehr. Lebenslang engagierte sie sich für sozial schwache Frauen, gründete das Müttergenesungswerk und revolutionierte die Radiowerbung.

von Dr. Ute Koch
29.09.2025

Elly Heuss-Knapp
© Foto: Müttergenesungswerk
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Was für eine Frau, was für ein erfülltes Leben: Elly Heuss-Knapp (1881 – 1952) war eine der beeindruckendsten Frauen ihrer Zeit. In der Literatur wird sie als zupackende Alleskönnerin, Vorbild und Frau der Taten beschrieben. Zahlreiche Straßen, Schulen und andere Bildungsstätten tragen ihren Namen und das nicht ohne Grund.

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Ihre ersten Jahre

Elisabeth Eleonore Anna Justine Knapp wurde am 25. Januar 1881 in Straßburg geboren, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Sie wuchs in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater, ein angesehener Nationalökonom, lehrte an der Straßburger Universität. Bereits mit 18 Jahren absolvierte sie ihr Examen als Lehrerin, wurde schon bald Gründerin einer „Fortbildungsschule für Mädchen“ und engagierte sich ehrenamtlich im Straßburger Armenwesen. Rasch erkannte sie, dass sich soziale Probleme ohne Bildung innerhalb der Allgemeinbevölkerung nicht lösen lassen. Um sich dieser Thematik kompetent widmen zu können, studierte sie Nationalökonomie in Freiburg und Berlin. 1908 heiratete sie den politisch aktiven Journalisten Theodor Heuss (1884 – 1963), den späteren ersten Bundespräsidenten der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland. Die Traurede hielt Albert Schweitzer (1875 – 1965), mit dem sie lebenslang eng befreundet war. Elly Heuss-Knapp und ihr Mann führten eine gleichberechtigte Ehe, was zur damaligen Zeit ungewöhnlich war.

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Elly Heuss-Knapp gründete das Müttergenesungswerk, das in diesem Jahr sein 75. Jubiläum hat. Heute ist es auch für Väter da.
© Foto: Müttergenesungswerk

Lebenslange Herzenssache

Bis an ihr Lebensende setzte sich Elly Heuss-Knapp für sozial schwache Frauen ein. Im Jahr 1910, in dem auch ihr Sohn geboren wurde, veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen“, das in acht Auflagen immer wieder überarbeitet und ergänzt wurde. Auch in ihrer umfangreichen Vortragstätigkeit widmete sie sich der Bildung von Frauen. So zum Beispiel im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918), als sie und ihre Familie in Heidelberg lebten. Sie kümmerte sich um die vielen Frauen, denen es an Geld für sich und ihre Kinder fehlte, weil die Männer im Krieg waren. Gemeinsam mit vielen Freiwilligen baute sie damals eine Schneiderwerkstatt auf, die etwa 900 Frauen Arbeit (vor allem Heimarbeit) und ein Einkommen sicherte. Damit bewahrte sie die Frauen vor einem Gelderwerb in den Munitionsfabriken, in die sie ihre Kinder nicht mitnehmen konnten. Mit den finanziellen Überschüssen der Schneiderwerkstatt wurden Gesundheits- und Wohlfahrtseinrichtungen unterstützt, an die wiederum die gesundheitlich stark angeschlagenen Frauen verwiesen wurden.

Einschnitte im Nationalsozialismus

Im Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Es war der Beginn des NS-Regimes – verbunden mit all seinen Repressalien und Gräueltaten. Auch Elly Heuss-Knapp und ihr Mann waren davon betroffen. Theodor Heuss erhielt Berufsverbot als Journalist, seine Bücher gehörten zu jenen, die von den Nazis verbrannt wurden. Elly Heuss-Knapp erhielt Auftrittsverbot für ihre Vorträge. So stand die Familie, zu der ein studierender Sohn gehörte, nahezu über Nacht ohne Einkommen da. Fortan besann sich Elly Heuss-Knapp auf ihr kreatives Talent. Als erfolgreiche Werbetexterin und Werbefilmemacherin gelang es ihr, die Familie finanziell gut durch diese schwierige Zeit zu bringen. Ihr erster Auftraggeber war ihr Cousin Hermann Geiger, dem die GABA AG mit den damals führenden Wybert-Pastillen gehörte.

Pionierin in der Werbung

„Obs regnet, windet oder schneit, Wybert schützt vor Heiserkeit“ oder „Auf Schritt und Tritt nimm Wybert mit“ gehörten zu den ersten Slogans von Elly Heuss. Im Radio lief dazu die einprägsame Werbemelodie der Firma. Ein Novum für die damalige Zeit, in der Radiowerbung darin bestand, dass Moderatoren Anzeigentexte monoton vorlasen. Elly Heuss-Knapp war die Erfinderin des „akustischen Warenzeichens“, einer kurzen Erkennungsmelodie für einen bestimmten Firmen- oder Produktnamen, heute unter dem Begriff Jingle bekannt. Diese Erfindung ließ sie sich patentieren und die Liste ihrer namhaften Auftraggeber wuchs und wuchs. Doch schon bald, im Jahr 1935, verbot das NS-Regime die kommerzielle Werbung im Radio. Folglich spezialisierte sich Elly Heuss-Knapp auf die Konzeption von Werbefilmen, die in Kinos gezeigt wurden. Auch damit war sie äußerst erfolgreich und konnte letztendlich von ihren Einnahmen die Familie ernähren, ihrem Mann das Verfassen großer Biografien ermöglichen, das Studium des gemeinsamen Sohnes finanzieren und ein Wohnhaus kaufen.

Wegweisend als First Lady

1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet und Theodor Heuss war ihr erster Bundespräsident. So avancierte Elly Heuss-Knapp zur ersten First Lady Deutschlands. Leider nur sehr kurz, schon drei Jahre später (im Juli 1952) erlag sie einem langjährigen Herzleiden. Trotz der kurzen Zeit, die ihr als Frau des Bundespräsidenten verblieb, prägte sie diese Rolle auf ihre Art. Sie wollte ihr Amt nicht bei Repräsentationspflichten belassen, sondern sich selbst und zukünftige Präsidentengattinnen mit eigenen öffentlichen Aufgaben versehen. Also setzte sie ihr unermüdliches Engagement für sozial schwache Frauen fort. Daraus entstand ihr wohl bekanntestes Vermächtnis, das Müttergenesungswerk, das im Januar dieses Jahres sein 75-jähriges Jubiläum hatte. Bis heute steht das Müttergenesungswerk unter der Schirmherrschaft der Frau beziehungsweise Lebenspartnerin des amtierenden Bundespräsidenten – derzeit ist es Elke Büdenbender, die Frau von Frank-Walter Steinmeier.

Ich wollte etwas verändern, soziale Ungerechtigkeit beseitigen. Kurz, Das Frauenbild verbessern.Elly Heuss-Knapp

75 Jahre Müttergenesungswerk

Im Zweiten Weltkrieg und nach seinem Ende waren es vor allem die Trümmerfrauen, die Hilfe brauchten. Es waren diejenigen Frauen, die während der kriegsbedingten Abwesenheit ihrer Männer oder durch deren kriegsbedingten Verlust die Hauptlast in der Heimat trugen: einem Gelderwerb nachgehen, sich um die Kinder und pflegebedürftige Eltern kümmern sowie das allgemeine Leben aufrechterhalten. Dazu gehörte das Beseitigen der umfangreichen Kriegstrümmer, woraus der Name Trümmerfrauen resultierte. Diese Frauen lagen Elly Heuss-Knapp besonders am Herzen, weshalb das Müttergenesungswerks entstand, unter dessen Dach Mütterheime verschiedener konfessioneller und nicht konfessioneller Einrichtungen vereint wurden. Es war Elly Heuss-Knapps großer Verdienst, die heterogenen und weltanschaulich gegensätzlichen Einrichtungen miteinander zu verbinden und zudem das Müttergenesungswerk auf eine finanziell solide Basis zu stellen. Heute ist die „Elly-Heuss-Knapp-Stiftung – Deutsches Müttergenesungswerk“ nicht mehr nur für Mütter da. Das Müttergenesungswerk unterstützt finanziell die Kuren einkommensschwacher Mütter, Väter und pflegender Angehöriger, wofür es auf Spenden angewiesen ist.

Und nicht zuletzt

Elly Heuss-Knapp unterrichtete eine gewisse Zeit am Lette-Verein in Berlin. Dieser wurde bereits 1866 zur „Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“ gegründet. Er unterstützte die Öffnung verschiedener, insbesondere technischer Berufe für Frauen. Da der Lette-Verein private Schulen besaß, durfte Elly Heuss-Knapp als verheiratete Frau an diesen unterrichten. An öffentlichen Schulen galt das Lehrerinnenzölibat, wonach – gesetzlich geregelt – eine Unvereinbarkeit von Ehe und Beruf für Lehrerinnen bestand. Heute ist der Lette-Verein ein modernes Berufsausbildungszentrum, das unter anderem eine Ausbildung zur PTA anbietet.

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