Ernährung: Alternative Proteinquellen

Der Markt für neuartige Proteinquellen als Alternative zu Fleisch wächst. Sie liefern allerdings nicht unbedingt die gleichen Nährstoffe wie herkömmliche Eiweißlieferanten. Ernährungswissen ist gefragt.

von Kirsten Bechtold
27.06.2025

Brokkoli, Nüsse, Tofu
© Foto: anaumenko / stock.adobe.com
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Ob Eier, Fleisch, Kuhmilch oder Fisch: Die in Lebensmitteln tierischer Herkunft enthaltenen Proteine sind dem Körpereiweiß relativ ähnlich und haben von Natur aus eine hohe biologische Wertigkeit. Das heißt, sie liefern alle neun Aminosäuren (Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin sowie Histidin für Säuglinge), die der Organismus nicht selbst herstellen kann, jedoch benötigt, um körpereigene Proteine zu bilden. Und das in ausreichender Menge, bezogen auf den Proteinbedarf.

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Maß aller Dinge ist das Hühnerei. Es besitzt mit einem Wert von 100 die höchste biologische Wertigkeit. Auch pflanzliche Eiweißlieferanten wie Quinoa, Hanf, Soja, Buchweizen und die Spirulina-Alge enthalten alle unentbehrlichen Aminosäuren in ausreichender Menge.

Anders sieht das aus bei Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen und Samen. Sie weisen in der Regel nicht das volle Spektrum der unentbehrlichen Aminosäuren auf und müssen geschickt kombiniert werden, um dieses zu erreichen. Das gelingt zum Beispiel durch die Kombination von Linsengemüse mit Reis oder Erbseneintopf mit Brot.

Wer auf pflanzliche Proteinlieferanten setzt, muss wissen, dass antinutritive Substanzen (z. B. Phytate, Lektine, Tannine) die Verwertung des Eiweißes einschränken können. Der hemmende Effekt lässt sich beispielsweise durch Einweichen und Keimen verringern, sodass durch diese Zubereitungsmethode die biologische Wertigkeit steigt.

Darüber hinaus können verschiedene Koch- und Verarbeitungsmethoden wie das Erhitzen oder die Fermentation die Verfügbarkeit und Qualität von Eiweißen beeinflussen, indem sie deren Struktur verändern oder die Verdaulichkeit verbessern.

Ersatzprodukte

Pflanzendrinks etwa aus Hafer, Mandeln, Kokos oder Soja haben sich als Alternativen zu Kuhmilch bereits etabliert. Ihr Proteingehalt ist, mit Ausnahme von Soja, meist geringer. Soja hingegen ähnelt Kuhmilch häufig in Proteingehalt und -qualität. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) befürwortet den Einsatz von Pflanzendrinks. Sie rät allerdings dazu, bei komplettem Kuhmilchverzicht darauf zu achten, dass die Alternativen mit Calcium, Jod, Vitamin B12 und B2 angereichert sind. Andernfalls sollten diese Mikronährstoffe über andere Quellen zugeführt werden.

Bei Fleischersatzprodukten setzen Hersteller vor allem auf Zutaten wie Soja, Erbsen, Lupinen oder Algen. Die Fleischalternativen enthalten neben Protein häufig viele andere Bestand- teile wie Wasser, Salz, Zucker und Zusatzstoffe und müssen in ihrer Nährstoffzusammensetzung häufig noch optimiert werden, um den Bedarf an unentbehrlichen Aminosäuren und Mikronährstoffen zu decken. Das heißt, oftmals handelt es sich bei den Fleischersatzprodukten um stark verarbeitete Lebensmittel, die ernährungsphysiologisch eher ungünstig sind. Hier hilft ein Blick aufs Zutatenverzeichnis des entsprechenden Produkts.

Wussten Sie, dass ...
  • die Fermentation eine Schlüsseltechnologie in der alternativen Proteinproduktion ist?
  • bei der klassischen Fermentation Mikroorganismen die Textur, den Geschmack oder die Nährstoffzusammensetzung von Lebensmitteln verbessern?
  • bei der Biomasse-Fermentation aus pflanzlichen Rohstoffen mithilfe von Pilzen, Hefen, Mikroalgen und Bakterien hochwertige Eiweiße gewonnen werden?
  • bei der Präzisionsfermentation genetisch angepasste Mikroorganismen gezielt Proteine oder andere Nährstoffe produzieren, die als Lebensmittelzutat verwendet werden können?

Neuartige Proteinquellen

Laut dem 15. Ernährungsbericht der DGE umfassen neuartige alternative Proteinquellen tierische (Lebensmittelinsekten, In-vitro-Fleisch), pflanzliche (essbare sowie nicht essbare Pflanzenbestandteile) und mikrobielle (Mikroalgen, Hefen, Pilze, Bakterien) Proteinquellen. Daraus hergestellte Produkte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer ernährungsphysiologischen Qualität stark, je nachdem, welche Rohstoffe bei der Herstellung eingesetzt oder welche Verarbeitungsverfahren angewendet wurden.

Eher ungünstig sind auch hier wieder stark verarbeitete, salz- und zuckerreiche Produkte. Hingegen spricht aus ernährungsphysiologischer Sicht vieles für Insekten: Sie sind proteinreich, das Aminosäurenmuster ist speziesabhängig hochwertig und sie haben ein günstiges Nachhaltigkeitsprofil. Zu beachten ist jedoch ihr allergenes Potenzial. Das ist vor allem für Menschen wichtig, die auf Hausstaubmilben oder Krustentiere allergisch reagieren.

Grundsätzlich sollten Verbraucher eine bewusste Lebensmittelwahl treffen und sich für qualitativ hochwertige, möglichst unverarbeitete Proteinlieferanten entscheiden.

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