Organspende: Warten ...

Heller Sonnenschein und Tina v. S. strahlen vor der Tür des idyllischen Resthofes in einem kleinen Ort im Herzen des Cuxlands um die Wette. Dass das Lächeln nicht immer so ungetrübt ist, lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen: Tina wartet auf eine Niere.
Liebe Tina, danke, dass du uns einen Einblick in deinen Alltag gibst. Warum benötigst du eine Organspende, welche Diagnose steckt dahinter?
Tina: Ich habe von Geburt an nur eine funktionsfähige Niere, die zweite war eine embryonale Schrumpfniere. Diese hat sich nicht ausreichend differenziert und war etwa erbsengroß an der anderen Niere angewachsen. Die arbeitende Niere hat leider auch ihre Funktion verloren.

Eine Spenderniere könnte Tina von der Dialysepflicht befreien. Doch die Wartezeit ist lang.
© Foto: Britta Fröhling
Wann hast du die Diagnose bekommen? Wie wurde das festgestellt?
Tina: Dass ich nur eine Niere habe, wussten meine Eltern seit meiner Geburt. Allerdings wurde ihnen damals nicht erzählt, dass auch die vorhandene Niere versagen könnte. Das war ein Zufallsbefund bei einer Blutuntersuchung, als ich 16 war.
Das war sicher ein Schock, wie ging es dir mit der Diagnose?
Tina: Anfangs war das gar nicht richtig greifbar. Es waren letztlich nur Zahlen auf einem Blatt.
Wie sah die Therapie aus?
Tina: Weil meine Nierenwerte schon recht schlecht waren, stand gleich eine Transplantation im Raum und bis dahin die Kontrolle der Nierenwerte. Ich musste eine kalium-, natrium- und phosphatarme Diät halten. Da gab’s ein kleines Info-Heftchen, das war’s.
Keine Ernährungsberatung, Kochkurse oder so?
Tina: Nein. Da war ich echt auf mich allein gestellt, beziehungsweise vor allem meine Mutter beim täglichen Kochen.
Und für eine mögliche Transplantation wurde dann in der Familie nach passenden Spendern gesucht, richtig?
Tina: Ja. Meine Tante kam infrage und war bereit, mir eine Niere zu spenden. Es dauerte dann seine Zeit, mit den ganzen Voruntersuchungen. Erst da habe ich wirklich realisiert, was das alles bedeutet. Letztlich war ich 19, als die Transplantation stattfand. Meine Tante und ich kamen in das Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Hannover. Zuerst wurde meiner Tante die Niere entnommen, direkt im Anschluss begann dann meine OP zur Transplantation. Das lief richtig gut, die neue Niere hat schon während der OP begonnen zu arbeiten.
Wie ging es dir und deiner Tante anschließend?
Tina: Meine Tante hat etwa ein Jahr gebraucht, um sich vollständig zu erholen, da der Eingriff größer war als bei mir. Mir selbst ging es sehr schnell sehr gut, die Niere arbeitete wunderbar. Allerdings habe ich durch die hohe Cortisondosis, die damals standardmäßig langfristig gegeben wurde, eine enorme Gewichtszunahme und Gelenkprobleme als Nebenwirkungen gehabt. Aber eben auch neun Jahre lang ein nahezu normales Leben.
Was passierte dann?
Tina: Die transplantierte Niere verlor ihre Funktion. Die Funktionsdauer der transplantierten Nieren liegt bei durchschnittlich 15 Jahren, aber es kann eben auch früher zu einem Versagen kommen. Ich hatte einen plötzlichen, totalen Leistungsabfall, die Blutwerte waren so schlecht, dass ich von diesem Tag an dialysepflichtig war und die Voruntersuchungen für einen Platz auf der Warteliste für Transplantationen begannen.
Damals hast du die Dialyse zuhause durchgeführt, oder?
Tina: Genau, ich konnte eine Peritonealdialyse machen. Dazu wurde ein Katheter in die Bauchhöhle implantiert. Darüber habe ich kontinuierlich mehrmals täglich zwei Liter erwärmte Glukoselösung eingefüllt. Diese blieb einige Stunden im Bauchraum, und durch das Bauchfell wurden Giftstoffe und Flüssigkeit in die Glukoselösung abgegeben. Dann wurde diese über den Katheter abgelassen und durch frische Lösung ersetzt. Der Vorteil ist, dass die Ernährungseinschränkungen weniger strikt sind und der Kreislauf kaum belastet wird. Und natürlich die Unabhängigkeit von Dialysezentren. Leider trat dann irgendwann die typische Komplikation einer Bauchfellentzündung auf, mit einem fulminanten Verlauf. Das war knapp, obwohl ich den Beginn sofort bemerkt habe und schnell behandelt wurde.
Und seitdem machst du die Hämodialyse?
Tina: Ja. Ich bin dreimal pro Woche im Dialysezentrum, also alle zwei Tage mit „freiem Wochenende“.
Wie läuft so ein Dialysetermin ab?
Tina: Ich fahre abends um 18.30 Uhr hin. Dann werde ich gewogen, um zu ermitteln, wie viel Flüssigkeit entzogen werden muss. Danach bekomme ich in den Shunt am Unterarm die Zugänge gelegt und die Dialyse läuft etwa 4,5 Stunden. Anschließend muss ich die Einstichstellen etwa 15 Minuten abdrücken, bis sie verschlossen sind. Erst dann mache ich mich auf den Heimweg und bin gegen ein Uhr zuhause. Durch meinen Termin in der „Nachtschicht“ ist mein Tag weniger eingeschränkt. Der Freitagabend ist natürlich ein klassischer Zeitpunkt für Verabredungen, darauf muss ich häufig verzichten. Steht mal etwas wirklich Großes an, zum Beispiel eine Hochzeit, kann ich auch mal einen Dialysetermin in die Tagschicht tauschen, wenn die Kapazität da ist.

Die Narben am Unterarm durch die Shunt-OP sind deutlich sichtbar. Das künstliche Gefäß darunter wird alle zwei Tage für die Dialyse punktiert.
© Foto: Britta Fröhling
Wie sehr musst du denn jetzt auf deine Ernährung achten, im Gegensatz zur Peritonealdialyse?
Tina: Schon sehr, es kommt immer auf das Maß an. Ein Löffel Grünkohl geht, ein Röschen Brokkoli geht … aber eben keine großen Mengen. Da ich keine Nierenfunktion mehr habe, ist vor allem die Flüssigkeitszufuhr stark eingeschränkt, mehr als einen Liter pro Tag darf ich nicht zu mir nehmen. Sehr wasserreiche Gemüse wie Gurken und Tomaten fallen gleich mit ins Gewicht. Vor allem nach dem „freien“ Wochenende merke ich die angesammelte Flüssigkeit im Körper sehr.
Du erwähntest den Shunt, in den gestochen wird. Das ist eine künstliche Verbindung von Vene und Arterie im Unterarm?
Tina: Ja. Um genügend Blutdurchfluss für die Hämodialyse zu haben, muss so ein Shunt in einer OP angelegt werden. Da meine Gefäße aber nicht genug gewachsen sind, habe ich einen künstlichen Shunt bekommen, eine Art Schlauch, der unter der Haut am Unterarm liegt. Das ist schon eine Narbe, die oft Blicke auf sich zieht. Aber ich verstecke sie nicht mehr, wenn ich angesprochen werde, erkläre ich offen, was das ist.
Du wartest nun schon einige Jahre auf eine geeignete Spenderniere. Wovon ist denn so ein Platz auf der Warteliste abhängig?
Tina: Vor allem vom Allgemeinzustand. Nach einer Herzklappeninsuffizienz, die glücklicherweise gut behandelt werden konnte, war ich ein Jahr lang nicht transplantationsfähig. Nun stehe ich wieder auf der Liste, und durch die Beteiligung des Herzens auch weiter vorne. Es gibt aber in Deutschland einfach zu wenig Organspenden, sodass es noch eine lange Wartezeit geben kann.
Woran kann die geringe Bereitschaft zur Organspende liegen?
Tina: Ich denke, es fehlt an Aufklärung, um Ängste zu nehmen. Das Wissen, dass ein Organspendeausweis nur dann zum Tragen kommt, wenn der Hirntod sicher und unabhängig nachgewiesen wurde und es wirklich keine Rettung mehr für diesen Menschen gibt.
Täglich stehen 13 Medikamente auf deinem Medikationsplan. Welche Rolle spielt da die Apotheke vor Ort für dich?
Tina: Eine sehr große. Ich habe meine Stammapotheke, in der ich jedes Medikament hole. Der Wechselwirkungscheck wird da sehr genau ausgeführt, die Beratung ist super.
Haben die wiederkehrenden Lieferschwierigkeiten dir schon mal Probleme bereitet?
Tina: Gerade wenn Lieferschwierigkeiten drohen, wird in meiner Apotheke immer vorausschauend geplant, und es werden Alternativen gefunden. Und ich bestelle Rezepte rechtzeitig, nicht erst beim letzten Blister. Aber die blutstillenden Pflaster in der Dialysepraxis beispielsweise sind einfach nicht lieferbar.
Was wünschst du dir von PTA und Apothekern?
Tina: Dass die Beratungsqualität so hoch bleibt!