Post-Pill-Syndrom: Was ist dran?

Frauen, die jahrelang oral verhütet haben und die Pille absetzen, stellen häufig fest, dass danach unerwünschte Symptome auftreten und das geplante Wunschkind erstmal auf sich warten lässt. Was ist dran am PPS, dem Post-Pill-Syndrom?

von Petra Schicketanz
27.06.2025

Mann und Frau küssen sich im Bett.
© Foto: Witthaya Prasongsin / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)
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  • Nach dem Absetzen der Antibabypille kann es Monate dauern, bis der Körper seine natürliche Hormonbalance wiederherstellt.
  • In dieser Übergangszeit kann es zu unerfülltem Kinderwunsch und weiteren hormonbedingten Symptomen kommen.
  • Die Beschwerden stehen oft im Zusammenhang mit gestörten Hormonsynthesen sowie einem möglichen Mangel an Mineralstoffen und Vitaminen.
  • Die Dauer und Ausprägung der Symptome sind individuell verschieden.
  • Einflussfaktoren sind die hormonelle Ausgangssituation vor der Pilleneinnahme sowie Art, Dosierung und Dauer der hormonellen Verhütung.

Eine funktionierende Empfängnisverhütung ist eines der wichtigsten Themen, wenn es um die Gesundheit und Lebensplanung von Frauen geht. Die Einführung der Antibabypille in den 1960er-Jahren löste eine gesellschaftliche Revolution aus und veränderte das Frauenbild von Grund auf. Mehr als 50 Jahre nach dieser sexuellen Befreiung stößt die Anwendung der Pille in Teilen der Bevölkerung auf Kritik. Möglicherweise auch, weil die Umstellungsphase nach Beendigung der Pilleneinnahme bei den Verordnungen allgemein eine viel zu geringe Beachtung findet.

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Das Post-Pill-Syndrom ist keine medizinische Diagnose.
 

Extrahormone und Zyklus

Unter der Bezeichnung Post-Pill-Syndrom (PPS) werden Anzeichen und Symptome verstanden, die nach dem Absetzen hormoneller Kontrazeptiva auftreten können. Der Begriff geht auf die US-amerikanische Ärztin Dr. Jolene Brighten zurück, die sich in ihrer Klinik für Frauenmedizin als Pionierin auf diese Problematik spezialisiert hat. Auch wenn der Begriff PPS in Europa nicht etabliert ist, lohnt es sich doch, einen Blick auf das Geschehen zu werfen und Frauen bei der Entscheidung für oder gegen eine hormonelle Verhütungsmethode über mögliche Folgerisiken aufzuklären.

Der hormonelle Regelkreis

Der weibliche Zyklus folgt einem komplexen Ablauf. Zunächst schüttet der Hypothalamus Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) aus und veranlasst damit die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) das Follikel-stimulierende Hormon (FSH) und später auch das Luteinisierende Hormon (LH) freizusetzen. Beide zählen zu den Gonadotropinen, die die Keimdrüsen (Gonaden) zur Produktion der jeweiligen Sexualhormone (Östrogene, Progesteron, Testosteron) anregen, die neben dem Zyklusverlauf selbst auch zahlreiche andere Körperfunktionen steuern. Über eine negative Rückkopplung hemmen die Sexualhormone die Freisetzung der übergeordneten Releasing-Hormone im Gehirn. Das verhindert beispielsweise während einer Schwangerschaft die Bereitstellung und Befruchtung weiterer Eizellen.

Störung hormoneller Synthesewege-- Hormonelle Kontrazeptiva enthalten Wirkstoffe (Hormone), die – je nach Beschaffenheit – die Rezeptoren für Östrogen- und Gestagenrezeptoren besetzen. Dadurch erhält die Hypophyse das Signal, die Freisetzung der jeweiligen Gonadotropine herunterzufahren. Die Folgen sind für die weitere Produktion der Hormone allerdings unterschiedlich.

Grafik: Hormoneller Regelkreis


© Foto: Grafik: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Matthias Emde

Progesteron

Das für den Schwangerschaftserhalt verantwortliche Gestagen Progesteron nimmt auch eine Schlüsselstellung bei der Synthese anderer Steroidhormone ein. Progesteron bildet die Vorstufe des Mineralokortikoids Aldosteron, des Glukokortikoids Cortisol (beide aus der Nebennierenrinde) sowie unter anderem von Testosteron und Östrogenen.

Für Östrogene, Testosteron und die genannten Nebennierenrindenhormone existieren Nebenwege zur Herstellung, wodurch sie weiter produziert werden können. Die Biosynthese von Aldosteron erfolgt jedoch ausschließlich über Progesteron, das zu diesem Zweck auch in der Nebennierenrinde aus Cholesterol synthetisiert wird. Bei hoher Stressbelastung wird das hier gebildete Progesteron jedoch bevorzugt in Glukokortikoide (u. a. Cortisol) umgebaut.

Ein künstliches Gestagen kann nicht das körpereigene Progesteron ersetzen. Dieses steht in diesem Fall nicht ausreichend als Vorstufe für Aldosteron zur Verfügung. Ein Aldosteronmangel kann dann Störungen im Flüssigkeits-, Elek- trolyt- und Säure-Basen-Haushalt bewirken. Der Einfluss des fehlenden Progesterons ist stärker und länger zu spüren, je länger seine Produktion durch die Anwendung hormoneller Kontrazeptiva unterdrückt wird.

Die körpereigene Hormonsynthese normalisiert sich nach dem Absetzen der kontrazeptiven Arzneimittel langsam wieder. Bis sich die volle Hormonwirkung einstellt, kann es eine Zeit lang dauern. Gerade, wenn der Alltag eine hohe Stressbelastung mit sich bringt, wird das vorhandene Progesteron bevorzugt in Glukokortikoide (u. a. Cortisol) umgebaut.

Progesteronmangel-- Da das Hormon die zweite Zyklushälfte steuert, führt ein Mangel zu verkürzten Zyklen. Die Menstruationsblutung kann unregelmäßig sein oder ausbleiben. Zusätzlich sind Schmierblutungen möglich. Die Empfängnis wird erschwert, da auch die Gebärmutterschleimhaut nicht ausreichend für die Einnistung eines befruchteten Eis vorbereitet ist. Ein Mangel am schwangerschaftserhaltenden Hormon begünstigt Aborte.

Zusätzlich sind Kopfschmerzen, Migräne, Spannungsgefühle im Brustgewebe, Müdigkeit, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, innere Unruhe und eine Verminderung der Libido möglich; ebenso Hautunreinheiten, Wiederaufflammen einer Akne, Haarausfall, Infektneigung und Schwindel. Der Mangel kann auch andere Hormonsysteme beeinflussen und zu Hypothyreose oder einer gleichzeitigen Verstärkung der Cortisolwirkung führen. Letztere kann Gewichtszunahme und Blutzuckerschwankungen bewirken.

Östradiol

Durch ihren zusätzlichen alternativen Produktionsweg regeneriert sich die Östrogen-Synthese nach dem Absetzen der hormonellen Verhütungsmittel schneller als die des Progesterons. Das kann zu einer Östradioldominanz führen. Mögliche Folgen sind Zyklusanomalien wie späte und schmerzhafte Periode, unvollständige Ausreifung der Follikel, ausbleibender Eisprung und unerfüllter Kinderwunsch, Kopfschmerzen, Migräne, Hypothyreose, Ödembildung, Stimmungsschwankungen und eine Veränderung der Libido.

Frau sitzt auf Bettkante und blickt müde nach links. Wecker auf dem Nachttisch zeigt 03:00 Uhr.

Müdigkeit, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, aber auch Konzentrationsstörungen und innere Unruhe können Zeichen eines Progesteronmangels sein.
© Foto: [M] Andrii Lysenko / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Vitamin- und Mineralstoffversorgung

Hormonelle Kontrazeptiva müssen im Körper verstoffwechselt werden. Dazu werden die Vitamine B6 und B12 verbraucht, was zu einer Mangelsituation führen kann mit dem Auftreten von Müdigkeit, Immunschwäche und Begünstigung neurologischer Erkrankungen. Zusätzlich sinkt der Folsäurespiegel. Da Folsäure wichtig für die Zellteilung ist, erhöht sich bei einer eintretenden Schwangerschaft das Risiko für einen Neuralrohrdefekt beim Embryo. Aus diesem Grund sollte bei Kinderwunsch Folsäure bereits vor dem Absetzen der Verhütungsmittel substituiert werden.

Ein gleichzeitiger Mangel an den Vitaminen B6, B12 und Folsäure führt zu erhöhten Homocysteinspiegeln. Homocystein kann die Zellen des Gefäßendothels schädigen und erhöht die Gefahr für thromboembolische Ereignisse.

Unter dem Einfluss oraler Kontrazeptiva werden Magnesium und Zink vermindert aufgenommen und zudem beschleunigt ausgeschieden. Auch das führt zu einem Mangel, der sich auf viele Prozesse im Körper auswirkt, unter anderem in Organen mit hohem Energiebedarf (Gehirn, Herz, Skelettmuskulatur) und mehr als 300 Enzymen.

Ursprungsprobleme

Häufig werden hormonelle Kontrazeptiva nicht zum Zweck der Verhütung verordnet, sondern um andere hormonell basierte Frauenprobleme zu behandeln. Doch egal, ob es dabei um Zyklusstörungen, schmerzhafte Periodenblutungen, Akne oder vermännlichten Haarwuchs (Hirsutismus) geht, das eigentliche Problem wird durch die Anwendung nicht gelöst, sondern bestenfalls unterdrückt. Hier muss der Einsatz individuell abgewogen werden, denn möglicherweise treten die Ursprungsprobleme erneut auf.

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