Serie Fresh-up: Hydroxychloroquin

Beim Öffnen der Apothekentür ruft die PTA: „Hallo Manu, das ist ja eine Überraschung!“ Sie hatte die 27-Jährige vor einiger Zeit im Fitnessstudio kennengelernt, wo sich die junge Frau an den Geräten abgemüht und sich dabei unentwegt über Gelenkbeschwerden und ihre grenzenlose Müdigkeit beklagt hatte. In der Umkleidekabine hatte Manu ihr später von der Ratlosigkeit der Ärzte berichtet, die ihr bislang nicht helfen konnten. „Du warst ja eine Weile nicht mehr im Studio. Warst du krank?“
Serie Fresh-up
01/2025 Teriparatid
02/2025 Epoetin
03/2025 Isotretinoin
04/2025 Spironolacton
05/2025 Doxycyclin
06/2025 Hydroxychloroquin
07/2025 Levodopa
08/2025 Glyceroltrinitrat
09/2025 Infliximab
10/2025 Ciclosporin
11/2025 Donepezil
12/2025 Tirzepatid
„Das kannst du laut sagen. Ich bin letzten Freitag erst aus der Klinik entlassen worden. Ich hatte plötzlich Wasser in der Lunge und anscheinend auch eine Entzündung von Herz und Lunge. Es war eine furchtbare Zeit. Immerhin gibt es jetzt eine Diagnose: systemischer Lupus erythematodes. Aber ich habe keine Ahnung, was das für mich bedeutet. Und das macht mir Angst.“
Hintergrund
Die PTA erklärt ihrer Bekannten, dass der Name Lupus Wolf bedeutet und sowohl für die möglichen Hauterscheinungen steht, die unbehandelt wie Wolfsbisse aussehen können, als auch für den aggressiven Charakter, den die Erkrankung annehmen kann. Ein systemischer Lupus erythematodes ist eine facettenreiche Autoimmunerkrankung. Sie zählt zu den Kollagenosen, bei denen sich Immunkomplexe in Haut, Organen und im Bindegewebe der Blutgefäße ablagern und zu Entzündungen führen.
Je nach den betroffenen Organen ist individuell ein sehr unterschiedlicher Verlauf möglich. Typische Allgemeinsymptome sind Müdigkeit, Erschöpfung, Fieber, Lymphknotenschwellung und Gewichtsabnahme. Hinzu kommen jeweils die organspezifischen Symptome von Haut, Bewegungsapparat, Lunge, Herz, Nieren, Nervensystem und Blut.
„Die Erkrankung tritt in Schüben auf“, erläutert die PTA weiter. „Diese wechseln sich mit Phasen ab, die sogar völlig symptomfrei sein können. Mögliche Auslöser dieser Schübe sind UV-Bestrahlung, Infektionen, aber auch Operationen oder eine Schwangerschaft. Es ist daher sinnvoll, übermäßiges Sonnenlicht und Infektionsquellen zu meiden.“
Hinweise
„Was hat mir der Arzt denn nun verordnet?“, will Manu wissen. Die PTA hat mittlerweile das E-Rezept hochgeladen und liest: „Hydroxychloroquin-ratiopharm 200 mg Filmtabletten.“
„Das kenne ich doch als Malariamittel“, entfährt es Manu.
„Stimmt“, bestätigt die PTA. „Aber nicht nur. Der Wirkstoff wird auch gegen Rheumatoide Arthritis und systemischen Lupus erythematodes eingesetzt. Der Arzt hat bei der Dosierung auf einen Medikationsplan verwiesen. Hast du den erhalten?“
„Ja. Ich soll sechs Wochen lang zwei Tabletten täglich nach einer Mahlzeit einnehmen. Dann steht ein Arzttermin an, bei dem die weitere Dosis festgesetzt wird.“ „Das ist sinnvoll. Die typische Anfangsdosis für Erwachsene liegt bei 400 bis 600 Milligramm täglich, später kann auf eine Erhaltungsdosis von 200 bis 400 Milligramm abgesenkt werden.“
„Was macht dieses Mittel?“, will Manu wissen.
„Es senkt deine Wahrscheinlichkeit, einen neuen Schub zu erleiden. Außerdem sinkt durch die Anwendung dein Sterblichkeitsrisiko. Deshalb bekommen alle Patienten mit deiner Erkrankung diesen Wirkstoff, sofern sie ihn vertragen und nicht ein bestimmter Enzymmangel vorliegt, der die roten Blutkörperchen betrifft. Weitere Gegenanzeigen sind eine bestehende Myasthenia Gravis sowie eine Makulopathie oder Retinitis pigmentosa. Das erste ist eine neuromuskuläre Autoimmunkrankheit. Die beiden anderen sind Augenerkrankungen im Bereich der Netzhaut.“
„Ach deshalb musste ich noch meine Augen untersuchen lassen“, bemerkt Manu.
„Genau“, bestätigt die PTA. „Der Wirkstoff ist in Abhängigkeit von der verwendeten Dosis netzhauttoxisch. Sehschärfe, Gesichtsfeld und Farbensehen dürfen sich unter der Therapie nicht verändern, was alle drei Monate abgeklärt wird. Treten solche visuellen Veränderungen auf, muss die Behandlung mit Hydroxychloroquin abgebrochen werden.“
Extra
„Was muss ich noch wissen?“
Die PTA überlegt kurz. „Während der Therapie kann das Reaktionsvermögen eingeschränkt sein, vor allem in Kombination mit Alkohol. Das solltest du beim Autofahren oder beim Bedienen gefährlicher Geräte beachten. Eine gute Verhütung ist bis nach dem Absetzen wichtig. Außerdem solltest du das Medikament nicht vorzeitig absetzen, weil das einen Krankheitsschub auslösen kann. Es ist wichtig, regelmäßig Blutbild und Augen zu kontrollieren.
Du solltest auf Grapefruitsaft verzichten, denn der nutzt ein Enzym, das am Stoffwechsel des Medikaments beteiligt ist. Dementsprechend kann der Wirkstoff auch mit anderen Arzneistoffen in Wechselwirkung treten. Das klären wir dann immer, wenn du ein weiteres Arzneimittel anwenden möchtest. Es gibt einige Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen, die stehen alle im Beipackzettel. Das heißt aber nicht, dass sie automatisch bei dir auftreten müssen.“