Serie Rezeptur: Erythromycin

Ein Fallstrick bei der Herstellung von Formulierungen mit dem Antibiotikum ist der enge, rezeptierbare pH-Bereich, in dem es wirksam ist. Deshalb sollte es in der Regel nicht zusammen mit anderen Wirkstoffen verarbeitet werden.

von Stefanie Fastnacht
31.03.2024

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© Foto: Sarah Siegler
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  • Erythromycin ist ein Makrolid-Antibiotikum, das zur Behandlung von Akne, superinfizierten Ekzemen und Rosacea verordnet wird.
  • Dermal wird die Base in Konzentrationen von 0,5 bis vier Prozent eingesetzt, ophtal 0,5-prozentig. Die parenterale Dosis liegt bei 100 und die orale bei 500 Milligramm.
  • Erythromycin ist schlecht benetzbar. Der Wirkstoff neigt in halbfesten Zubereitungen zur Bildung von Pulvernestern.
  • Erythromycin ist nur bei pH-Werten von 8 bis 8,5 ausreichend stabil und wirksam.
  • Der Wirkstoff ist inkompatibel mit sauren Wirk- und Hilfsstoffen wie Salicyl-, Milch- und Sorbinsäure.

Erythromycin ist ein Makrolid-Antibiotikum. Es ist in Zubereitungen zur Anwendung auf der Haut, zum Einnehmen und in Parenteralia enthalten und wird zur Behandlung von Akne, superinfizierten Ekzemen und Rosacea verordnet. Das farblose bis schwach gelbe Wirkstoffpulver ist leicht hygroskopisch und kann in der Apotheke als mikrofeiner Rezepturausgangsstoff bezogen werden. Sein Wirkstoffgehalt schwankt von Charge zu Charge. Bei der Einwaage muss ein eventueller Mindergehalt durch die Berücksichtigung des Einwaagekorrekturfaktors ausgeglichen werden.

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Dermal wird die Base Erythromycin in Konzentrationen von 0,5 bis vier Prozent eingesetzt, ophtal 0,5-prozentig. Die parenterale Dosis liegt bei 100 Milligramm und die orale bei 500 Milligramm. Erythromycin hat einen rezeptierbaren pH-Bereich, der bei Suspensionen zwischen pH sieben bis zehn und bei Lösungen zwischen pH acht bis neun liegt. Das Wirkungsoptimum liegt bei pH acht bis 8,5.

Die Rezeptur

Hydrophile Erythromycin- Creme 2 % NRF 11.77., 30 g
Erythromycin (mikrofein gepulvert) 0,6 g
Mittelkettige Triglyceride 0,6 g
Basiscreme DAC 14,4 g
Citronensäure-Lösung 0,5 % 3,6 g
Propylenglycol 3,0 g
Gereinigtes Wasser ad 30,0 g

Dos.: 2 x tgl. auf Gesicht

Problemanalyse

Hauptschwierigkeiten, die bei der Verarbeitung von Erythromycin in der Rezeptur auftreten können, sind die Bildung von Pulvernestern und die pH-abhängige Instabilität der Substanz.

Problem Pulvernester

Erythromycin ist schlecht benetzbar. Es neigt zur Bildung von Pulvernestern und in Folge zu inhomogener Verteilung.

Problem pH-Wert

Weitaus gravierender ist, dass der Wirkstoff in sauren, neutralen und stark basischen pH-Bereichen innerhalb kurzer Zeit inaktiviert wird. Optimal wirksam und stabil ist er lediglich bei pH-Werten zwischen acht und 8,5. Erythromycin ist deshalb inkompatibel mit sauer reagierenden Wirk- und Hilfsstoffen wie Salicylsäure, Milchsäure oder Sorbinsäure. Es kann daher auch nicht mit Sorbinsäure vorkonservierten Grundlagen wie der wasserhaltigen hydrophilen Salbe DAB verarbeitet werden. Und die Sorbinsäure wirkt nur konservierend, wenn sie im pH-Bereich <5 eingesetzt wird.

Lösungsansätze

Damit in der Apotheke bei der Herstellung von halbfesten Erythromycin-Zubereitungen keine Schwierigkeiten auftreten, sollten Sie die folgenden Hinweise beachten.

Problem Pulvernester

Um der Bildung von Pulvernestern vorzubeugen und für eine homogene Verteilung von Erythromycin in Öl-in-Wasser (O/W) beziehungsweise in Wasser-in-Öl-Cremes (W/O) zu sorgen, muss der Wirkstoff zunächst angerieben werden. Als Anreibemittel eignet sich Neutralöl. Bei der Grundlage Linola Emulsion sollte Polysorbat-20-Lösung 10 % genutzt werden. Auch bei der Verarbeitung im vollautomatischen Rührsystem wird meistens das vorherige Anreiben in der Fantaschale empfohlen.

Alternativ kann vollautomatisch im Zweischritt-Mischverfahren gearbeitet werden. Im ersten Schritt wird angerieben und ein Wirkstoffkonzentrat hergestellt, das im zweiten Schritt dann verdünnt wird. Bei dieser Vorgehensweise sind unbedingt die herstellerspezifischen Vorgaben für das in der Apotheke eingesetzte elektrische Rührsystem zu berücksichtigen.

Wichtig-- Propylenglykol eignet sich nicht zum Anreiben von Erythromycin, denn der Wirkstoff löst sich darin und kristallisiert später wieder aus.

Problem pH-Wert

Das Wirkoptimum von Erythromycin liegt bei pH acht bis 8,5. Der pH-Wert der verwendeten Grundlage kann, sofern er unter dem des Wirkoptimums von Erythromycin liegt, zum Beispiel mit Trometamol auf pH acht angehoben werden. Das setzt aber voraus, dass die Grundlage bei Anhebung des pH-Wertes ausreichend stabil bleibt.

Kosmetika/Fertigarzneimittel-- Bei der Verwendung von Kosmetika oder Fertigarzneimitteln als Grundlage sollte nur eine Herstellung erfolgen, wenn die Herstellerfirma die Stabilität entsprechender Erythromycin-Zubereitungen geprüft hat. Außerdem muss bei Kosmetika durch ein valides Analyse- nzertifikat belegt sein, dass sie über die erforderliche pharmazeutische Qualität verfügen.

Wirkstoffkombinationen-- Hier sollte grundsätzlich auf geprüfte Rezepturen zurückgegriffen werden. Stehen keine standardisierten Rezepturen zur Verfügung, empfiehlt es sich, den Arzt oder die Ärztin zu kontaktieren und zwei getrennte Rezepturen herzustellen.

Ethanol, Propylenglykol-- Sind sie Bestandteil einer Grundlage, kann sich ein Teil des Erythromycins darin lösen. Da Erythromycin selbst basisch reagiert, kann der pH-Wert in einer solchen Zubereitung auf über zehn ansteigen und dann die Stabilität von Erythromycin gefährden. Um dem vorzubeugen, wird Citronensäure zur pH-Korrektur zugegeben.

Wichtig-- Die Einarbeitung von Citronensäure erfolgt immer erst am Schluss. Die Menge, die zugegeben werden muss, ist hier nicht prozentual ansteigend, sondern ist vom NRF analysiert und wird vorgegeben. Bei Individual-Rezepturen muss man sich durch tropfenweise Zugabe dem gewünschten pH-Wert annähern. Als Endkontrolle sollte eine pH-Wert-Messung mittels pH-Meter durchgeführt werden. Werden pH-Teststäbchen verwendet, sollten hydrophile halbfeste Zubereitungen vor der Messung im Verhältnis 1:10 mit gereinigtem Wasser verdünnt werden.

Video

Praxisbeispiel

Der Stammkunde Herr Wagner* kommt in die Hohenzollern-Apotheke und überreicht PTA Sarah Siegler ein Rezept. Darauf ist Hydrophile Erythromycin-Creme 2 %, NRF 11.77., 30 Gramm, verordnet. Die PTA sagt die Herstellung bis zum nächsten Abend zu. Die Verordnung kommt in der Apotheke häufig und in unterschiedlichen Konzentrationen vor, weshalb das pharmazeutische Personal bereits eine Herstellungsanweisung erarbeitet hat, auf die Sarah Siegler nun zurückgreift.

Herstellungsanweisung

Die Erythromycin-Creme wird in der Hohenzollern-Apotheke im vollautomatischen Rührsystem hergestellt. Um Zeit zu sparen und um eine gute Konsistenz zu erreichen, kommt die fertig zu kaufende, verdünnte Basiscreme DAC als Grundlage zum Einsatz. Bei dieser Variante entfallen das Verdünnen mit Wasser und die Zugabe von Propylenglykol, man spart zwei Arbeitsschritte. Die fertig beziehbare Grundlage besteht aus Basiscreme DAC 50 T, Propylenglycol 10 T, Gereinigtem Wasser 40 T. Sie wird im NRF im Abschnitt „Herstellungstechnik und Abfüllung“ erwähnt. Die Firma WEPA hat für die Herstellung mit der modifizierten Basiscreme eine Herstellungsanweisung veröffentlicht. Der Austausch von Hilfsstoffen in Individualrezepturen ist rechtlich möglich. Wichtig ist, dass die Deklaration und die Abrechnung korrekt durchgeführt werden. Auch sollte Rücksprache mit dem Arzt erfolgen, um auszuschließen, dass der Patient die neuen Hilfsstoffe (falls vorhanden) verträgt.

Die Zusammensetzung der modifizierten Rezeptur sieht wie folgt aus: Erythromycin (mikrofein gepulvert) 0,60 g, Mittelkettige Triglyceride 0,60 g, Citronensäure-Lösung 0,5% 3,60 g, Verdünnte Basiscreme DAC zu 30,0 g (=25,20 g). Die Herstellung erfolgt mit dem Topitec Touch in zwei Schritten.

Fazit

Die Rezeptur ist standardisiert, was den Vorteil hat, dass in der Apotheke die Plausibilitätsprüfung entfallen kann. Es muss lediglich eine Herstellungsanweisung erarbeitet werden. Sarah Siegler bespricht mit ihrer Chefin kurz die vorliegende Herstellungsanweisung und kontrolliert, ob diese noch aktuell ist.

Serie Rezeptur

03/2024 Metronidazol
04/2024 Erythromycin
05/2024 Harnstoff
06/2024 Salicylsäure
07/2024 Ammoniumbituminosulfonat
08/2024 Gentamicinsulfat
09/2024 Polidocanol
10/2024 Vitamin-A-Säure
11/2024 Nystatin
12/2024 Chlorhexidindigluconat

Herstellung

Im Labor legt die PTA ihre Schutzausrüstung an, reinigt die Arbeitsfläche und desinfiziert mit Isopropanol 70% (V/V). Alle anderen Arbeitsutensilien werden ebenfalls desinfiziert und bereitgelegt.

Vorbereitungen

Als Erstes stellt Sarah Siegler die Citronensäure-Lösung frisch her. Dann dokumentiert sie die Tara der Drehdosier-Kruke einschließlich des Hubbodens mit eingeschobener Werkzeugwelle und anhängender Mischscheibe. Im Anschluss wiegt sie Erythromycin unter Berücksichtigung des Einwaagekorrekturfaktors auf der Analysenwaage ab.

Schritt 1

Nach diesen Vorbereitungen reibt sie Erythromycin in der Kruke an. Dafür wiegt sie Verdünnte Basiscreme DAC 7,0 Gramm, mikrofein gepulvertes Erythromycin 0,6 Gramm, Mittelkettige Triglyceride 0,6 Gramm und nochmals 7,0 Gramm Verdünnte Basiscreme DAC (gesamt 15,2 g) im Sandwichverfahren in die Drehdosierkruke ein. Den Hubboden setzt sie so ein, dass er auf der Füllhöhe des Inhalts aufliegt. Damit verhindert sie, dass Luft in die Creme eingearbeitet wird. Diesen Ansatz verrührt sie mit dem Topitec Touch im Programm „Creme Weich 30 g“ (30 s, 2000 UpM, 3 Min., 1000 UpM). Zur Inprozesskontrolle begutachtet die PTA nach Beendigung des Rührprogramms den Ansatz in der Kruke. Die Creme sieht weich, weiß und gleichmäßig aus und scheint keine Feststoffagglomerate zu enthalten.

Schritt 2

Jetzt ergänzt sie die restlichen Bestandteile: 11,2 Gramm Verdünnte Basiscreme DAC und 3,6 Gramm Citronensäure-Lösung. Danach schiebt sie den Hubboden wieder bis dicht über den Cremeansatz, verschließt die Kruke und rührt wieder. Diesmal wählt sie das Programm „Emulsion/Lotion/Schüttelmixtur 30 g“, (4 Min, 800 UpM).

Endkontrolle/Abfüllung

Zur Endkontrolle entnimmt sie noch einmal eine winzige Menge der fertigen Creme und streicht sie auf eine Glasplatte aus. Auch hier erkennt sie keine Feststoffagglomerate. Zusätzlich überprüft sie den pH-Wert der Creme und ist erleichtert, dass dieser mit pH acht im für Erythromycin optimalen pH-Bereich von acht bis 8,5 liegt. Sie verschließt die Drehdosierkruke und beschriftet die fertige Rezeptur vorschriftsmäßig.

Abgabe

Bei der Abholung erklärt Sarah Siegler Herrn Wagner die Handhabung der Drehdosierkruke und stellt ihm für Akne geeignete Reinigungs- und Pflegeprodukte vor.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden, sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer zweier Rezepturhilfehotlines ein.

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