Serie Rezeptur: Sorbitol

Rektal anwendbare Sorbitol-Monopräparate für Kinder sind in Deutschland derzeit nicht als Fertigarzneimittel erhältlich. Die NRF-Rezeptur 6.17., Sorbitol-Klysma, schließt diese Lücke. Lesen Sie, was bei der Herstellung zu beachten ist.

von Stefanie Fastnacht und Sarah Siegler
27.06.2025

PTA Sarah Siegler verarbeitet Sorbitol in der Rezeptur.
© Foto: Sarah Siegler
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  • Sorbitol ist ein osmotisch wirksames Laxans. Der Wirkstoff dient auch als Zuckeraustauschstoff und Feuchthaltemittel in Lebensmitteln.
  • In der Kinderheilkunde wird Sorbitol in Form von Klysmen bei chronischer Obstipation eingesetzt.
  • Für Kinder geeignete, rektal anwendbare, phosphatfreie Fertigarzneimittel mit Sorbitol sind in Deutschland nicht mehr verfügbar.
  • Diese Versorgungslücke füllt die NRF-Rezeptur 6.17., Sorbitol-Klysma.

Sorbitol ist ein sechswertiger Zuckeralkohol und gehört zu den osmotisch wirksamen Laxanzien. Der Wirkstoff wird bei rektaler (auch bei oraler) Anwendung kaum resorbiert. Infolge der osmotischen Aktivität von Sorbitol strömt Wasser in das Darmlumen ein. Der Darminhalt weicht auf und nimmt an Volumen zu. In Folge dehnt sich die Darmwand, und die Stuhlentleerung wird eingeleitet.

Aktueller Podcast

Serie Rezeptur

03/2025 Ambroxol
04/2025 Azithromycin
05/2025 Simvastatin
06/2025 Cannabisextrakt
07/2025 Sorbitol
08/2025 Insulin
09/2025 Imiquimod
10/2025 Propranolol
11/2025 Estradiol, Progesteron
12/2025 Clotrimazol

Sorbitol dient außerdem als Süßungs- und Feuchthaltemittel in Lebensmitteln. Für Rezepturzwecke steht Sorbitol als weißes bis fast weißes kristallines Pulver oder als 70-prozentige, wässrige Lösung zur Verfügung. Es ist chemisch sehr stabil, sehr hygroskopisch und sehr leicht löslich in Wasser.

Die Rezeptur

3 x Sorbitol Klysma à 33,75 ml NRF 6.17.

Dos.: bei Bedarf ein Klysma

Exkurs Klysmen

Ein Klysma besteht aus einer Flasche mit Kanüle, die in den Anus eingeführt wird und enthält Rektallösungen oder Rektalsuspensionen zur einmaligen Anwendung.

Mikroklysmen-- Die Einmaltuben aus Polyethylen werden auch als Miniklistiere oder Rektiolen bezeichnet und umfassen ein Volumen von maximal zehn Millilitern. Die Rektalkanüle beziehungsweise das Applikationsrohr ist ungefähr fünf Zentimeter lang und wird bei Erwachsenen mit der ganzen Länge in den Analkanal eingeführt, bei Kindern nur etwa bis zur Hälfte. Da Mikroklysmen kein Rückschlagventil haben und die Rektallösung nach der Applikation sonst ins Klysma zurückgesaugt wird, müssen die Einmaltuben zusammengedrückt aus dem Analkanal entfernt werden.

Makroklysmen-- Sie enthalten das der deklarierten Dosis entsprechende Volumen (ca. 30 – 200 ml) zuzüglich eines Totvolumens an Flüssigkeit. Im Unterschied zu Mikroklysmen lassen sie sich nicht vollständig entleeren. Die nach der Applikation verbleibende Restlösung ist zu verwerfen. Das Gleiche gilt für nicht verwendete Teilmengen. Je nach verwendeter Klysmaflasche müssen Makroklysmen analog den Mikroklysmen nach der Applikation zusammengedrückt aus dem Analkanal gezogen werden.

Problemanalyse und Lösungen

Sorbitol-Klysmen dienen der Vorbereitung von diagnostischen und operativen Eingriffen im Rektum und im Dickdarm. Bei Kindern und Jugendlichen behandelt man eine hartnäckige Verstopfung mit dem Zuckeralkohol.

Klysmen

Problem-- Klysmen gehören zu den Darreichungsformen, die in der Apothekenrezeptur eher selten hergestellt werden. Grundsätzlich hat die Apotheke einen Kontrahierungszwang. Das heißt, jede ärztliche Verordnung ist zu beliefern. Eine Ablehnung von Rezepturen ist nicht erlaubt, diese müssen zeitnah angefertigt werden.

Lösung-- Planen Sie bei der Annahme von Rezepturen einen zeitlichen Puffer ein für Recherche, Plausibilitätsprüfung und Materialbeschaffung. Klysmen-Flaschen sind zum Beispiel über die Firmen Wepa oder Iphas beziehbar und in der Regel innerhalb von ein bis zwei Werktagen nach der Bestellung in der Apotheke.

Fertigarzneimittel

Problem-- In der Apotheke werden verschiedenste Klysmen als Fertigarzneimittel angeboten. Es gibt allerdings kein Präparat, in dem nur der Wirkstoff Sorbitol enthalten ist. Die verfügbaren Rektallösungen enthalten in der Regel zusätzlich Phosphate. Phosphathaltige Rektallösungen sind bei Kindern unter sechs Jahren jedoch kontraindiziert. Es besteht die Gefahr, dass nach der Applikation verstärkt Natrium- und Phosphat-Ionen über den Darm aufgenommen werden und der Elektrolythaushalt (Hypernatriämie und Hyperphosphatämie) lebensgefährlich entgleist.

Lösung-- Diese pädiatrische Versorgungslücke schließt die NRF-Vorschrift 6.17. „Sorbitol-Klysma“.

Restvolumina

Problem-- Makroklysmen lassen sich beim Einbringen in den Enddarm in der Regel nicht vollständig entleeren. Ihr Totvolumen beträgt etwa 2,5 Milliliter, was einem Gewicht von 2,7 Gramm entspricht. Daraus folgt, dass die Entnahmemenge nicht der Füllmenge entspricht, was den Anwendenden unbedingt erklärt werden muss.

Lösung-- Im günstigsten Fall sind die nicht verwendeten Restvolumina in den Klysmen-Flaschen nicht therapierelevant. In der Regel werden sie bei der Dosiseinstellung durch eine Überfüllung der Klysmen-Flasche ausgeglichen und können deshalb verworfen werden.

Achten Sie unbedingt darauf, dass der Arzt die genaue Dosierung (Einzeldosis für Kinder und Jugendliche 33,75 ml bzw. 36,1 g) auf dem Rezept vermerkt. So kann das Totvolumen als Zuschlag zur rezeptierten Menge dazu gefüllt werden und nach der Anwendung in der Flasche verbleiben.

Tabuthema

Problem-- Den meisten Menschen ist es sehr unangenehm, Probleme im Enddarmbereich offen anzusprechen und sich in der Offizin dazu beraten zu lassen.

Lösung-- Nehmen Sie Betroffenen die Scheu, indem Sie anbieten, das Kundengespräch in einem vor Zuhörern geschützten Bereich, wie dem Beratungszimmer, durchführen. Dort können Sie in aller Ruhe erklären, wie Klysmen richtig angewendet und dosiert werden.

Video: Sorbitol in der Rezeptur

Praxisbeispiel

Angelika Bayerle* kommt mit ihrem fünfjährigen Sohn Finn* in die Apotheke. Sie erzählt Sarah Siegler, dass Finn unter chronischer Verstopfung leidet und eine Abführlösung verordnet bekommen hat. Die PTA schaut sich die Rezeptur an. Sie setzt sich aus Sorbitol, Hypromellose 4.000, Kaliumsorbat, Citronensäure und Gereinigtem Wasser zusammen. Da sie die Rezeptur noch nie hergestellt hat, bittet sie die Kundin, ihr zwei Tage Zeit zu geben. Diese ist einverstanden und wird telefonisch benachrichtigt, sobald die Klysmen fertig sind.

Plausibilitätsprüfung

Nachdem Frau Bayerle und ihr Sohn die Apotheke verlassen haben, überprüft Sarah Siegler die Verordnung. Weil es sich um eine geprüfte NRF-Rezeptur handelt, kann die Plausibilitätsprüfung in „abgespeckter“ Form stattfinden.

Die Sorbitol-Klysmen werden mit Kaliumsorbat konserviert und sind dadurch mikrobiell nicht anfällig. Auch aus chemischer Sicht ist der Zuckeralkohol als sehr stabil einzustufen. Da die Klysmen zur Einmalanwendung gedacht sind, muss keine Aufbrauchfrist festgelegt werden, sondern lediglich eine Laufzeit von sechs Monaten.

Achtung: Nach sechs Monaten kann sich die Sorbitollösung, wenn sie bei höheren Temperaturen gelagert wird, gelb verfärben. Dem liegt vermutlich der Abbau der enthaltenen Sorbinsäure zugrunde.

Herstellungsanweisung

Hier legt Sarah Siegler fest, die Rezeptur mit der 70-prozentigen Sorbitollösung herzustellen, da diese in der Hohenzollern-Apotheke normalerweise vorrätig ist. Außerdem notiert sie, ausreichend Zeit für den Quellvorgang der Hypromellose 4.000 einzuplanen. Der Quellvorgang nimmt rund vier Stunden Zeit in Anspruch, und sie notiert, die Rektallösung bereits morgens anzusetzen. Zum Schluss wählt sie eine Klysmen-Flasche (Quetschflasche, 100 ml mit Kanüle und Kappe) als Packmittel aus und lässt die Herstellungsanweisung vom diensthabenden Apotheker unterschreiben.

Herstellung

Sobald die Klysmen-Flaschen in der Apotheke eingetroffen sind – alle anderen Materialien sind an Lager – macht sich die PTA an die Herstellung. Sie geht ins Labor, zieht ihre Schutzausrüstung aus Einmalkittel, FFP2-Maske, Schutzbrille und Einweghandschuhen an. Dann reinigt sie die Arbeitsfläche und desinfiziert sie mit Isopropanol 70 Prozent (V/V).

Lösen

In einem mit Glasstab tarierten Becherglas löst Sarah Siegler unter Rühren Kaliumsorbat, Citronensäure und Sorbitol-Lösung 70 Prozent in einem großen Teil des Gereinigten Wassers. Bei der anschließenden Inprozessprüfung muss die angesetzte Lösung klar und farblos aussehen.

Quellen

Anschließend streut sie Hypromellose unter Rühren auf die Flüssigkeitsoberfläche auf und verrührt den Ansatz sorgfältig mit dem Glasstab. Danach ergänzt die PTA das restliche Gereinigte Wasser und lässt den Ansatz unter gelegentlichem Rühren etwa vier Stunden und mit Folie abgedeckt stehen. Bei der Inprozessprüfung dürfen Luftblasen und zunächst noch unvollständig gequollene, kleine Gelklumpen enthalten sein.

Abfüllen / Etikettieren

Nach dem Ausquellen gleicht Sarah Siegler Verdunstungsverluste mit Gereinigtem Wasser aus und rührt die Lösung nochmals mit dem Glasstab durch. Sie freut sich, dass diese jetzt klar und farblos aussieht, eine mittlere Viskosität hat und fließfähig ist. Bei kräftigem Rühren schäumt sie, wie vorgeschrieben, leicht. Sie wiegt die Lösung inklusive des notwendigen Überschusses in die Klysmen-Flaschen ein und etikettiert diese nach Paragraf 14 der Apothekenbetriebsordnung. Auf den Flaschen vermerkt sie außerdem, dass ein Klistier mit 33,75 Milliliter Lösung 6,7 Gramm Sorbitol enthält sowie die Laufzeit (6 Mo.) und den Hinweis: „Verbleibende Reste in der Klysmen-Flasche sind zu verwerfen.“

Abgeben

Als Frau Bayerle zum Abholen kommt, bittet Sarah Siegler sie ins Beratungszimmer und erklärt ihr ungestört den Gebrauch und die Dosierung der Klistiere. Sie weist darauf hin, dass diese zur einmaligen Anwendung gedacht sind und dass ein kleiner Rest in der Flasche verbleiben wird, was der Therapie aber keinen Abbruch tut. Damit die Behandlung für Finn angenehmer ist, rät sie, das Klysma vor dem Einführen in den Enddarm auf Körpertemperatur zu bringen. Zur Applikation soll sich Finn am besten mit angewinkelten Beinen auf die linke Seite legen.

Nach Entfernung der Schutzkappe kann der Rektalapplikator des Klistiers vorsichtig, möglichst weit in den Mastdarm eingeführt werden. Das Befeuchten mit Wasser oder Einfetten mit Vaseline erleichtert die Anwendung. Damit die Sorbitollösung beim Entfernen des Applikators aus dem Analkanal nicht zurückgesaugt wird, ist die Klysmen-Flasche dabei gedrückt zu halten.

*Name von der Redaktion geändert. Die im Beitrag genannten Produkte werden,sofern es Alternativen gibt, beispielhaft genannt.

Dr. Stefan Bär unterstützt die Redaktion bei der Serie fachlich. Die Rezeptur ist sein Spezialgebiet. Er setzt sich dafür unter anderem als Mitglied der Fachgruppe „Magistrale Rezeptur“ der GD Gesellschaft für Dermopharmazie und als Betreuer dreier Rezepturhilfehotlines ein.

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