Typ-1-Diabetes: Sicher Sport treiben

Dank automatisierter Insulinabgabesysteme müssen sich Typ-1-Diabetiker nur noch wenig Gedanken über die richtige Insulindosis machen. Wer Sport treiben möchte, sollte jedoch einiges beachten.

von Kirsten Bechtold
29.09.2025

Läufer mit Wasserflasche
© Foto: Pavel1964 / Getty Images / iStockphoto (Symbolbild mit Fotomodell)
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  • Automatisierte Insulinabgabegeräte oder hybride Closed-Loop-Systeme erleichtern Typ-1-Diabetikern den Alltag.
  • Empfehlungen und Strategien für die Therapieanpassung liefert ein in diesem Jahr veröffentlichtes Positionspapier.
  • Grundsätzlich wichtig ist ein möglichst stabiler Blutzuckerspiegel vor Beginn der sportlichen Aktivität.
  • Schnell verfügbare Kohlenhydrate helfen, wenn während der Aktivität eine Unterzuckerung droht.

Menschen mit Typ-1-Diabetes müssen täglich Insulin spritzen, weil ihre Bauchspeicheldrüse nur sehr wenig oder gar kein Insulin produziert. Automatisierte Insulinabgabegeräte (Automated Insulin Delivery, AID) und hybride Closed-Loop-Systeme (Kombination aus Insulinpumpe und kontinuierlicher Glukosemessung in einem System) erleichtern heute den Umgang mit der Krankheit. Auch sportliche Aktivitäten sind einfacher möglich. Doch um eine Unter- oder Überzuckerung zu vermeiden, muss die Therapie angepasst werden.

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Orientierung bietet ein gemeinsames Positionspapier der European Association for the Study of Diabetes und der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes, das in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Dafür haben die Fachgesellschaften die Datenlage analysiert und fünf für alle im Handel erhältlichen Geräte gültige Empfehlungen herausgearbeitet. Diese unterstützen Typ-1-Diabetiker vor und während körperlicher Aktivität, die Geräte bestmöglich zu handhaben und dadurch ihren Sport sicher ausüben zu können.

Empfehlungen

Bei der Festlegung der Therapieziele für den Blutglukosespiegel während der Aktivität ist immer der Ist-Zustand ausschlaggebend. Dieser muss in Bezug zu der jeweils zu erwartenden Veränderung gesetzt werden. Dazu ist wichtig zu wissen:

  • Wer nüchtern Sport treibt, muss mit einem Blutzuckeranstieg rechnen.
  • Körperliche Aktivität unmittelbar nach dem Essen sowie zu viel aktives Insulin im Blut (Insulin On Board, IOB) erhöhen das Hypoglykämie-Risiko.
  • Aerobe Sportarten (z. B. Joggen, Schwimmen, Radfahren, Walken) senken tendenziell den Blutzuckerspiegel.
  • Bei anaerober Belastung (z. B. Sprinten, Gewichtheben, Intervalltraining) steigt der Blutzuckerspiegel eher an.

Geplante Aktivität

Wer eine Aktivität plant, bei der ein gleichbleibender Blutzuckerspiegel oder ein Abfall erwartet wird, sollte den Zielwert ein bis zwei Stunden vor der Aktivität anheben.

Wird der Blutglukosewert vermutlich ansteigen, sollten das normale Glukoseziel beibehalten oder ein niedrigeres anvisiert werden.

Aktivität nach Mahlzeit

Wer eine Aktivität innerhalb von zwei Stunden nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit plant, sollte wegen des zu erwartenden Blutglukoseabfalls ein höheres Glukoseziel einstellen und die mahlzeitenbezogene (prandiale) Insulindosis um 25 bis 33 Prozent verringern.

Während der Aktivität

Ein aufmerksames Beobachten der Glukosetrends ist während der sportlichen Aktivität empfehlenswert. Dem Positionspapier zufolge sollten schnell verfügbare Kohlenhydrate (z. B. Traubenzucker) bei einem Abfall unter sieben Millimol pro Liter zugeführt werden: zeigt das Gerät einen horizontalen Trendpfeil sind es drei bis sechs Gramm, bei leicht nach unten geneigtem Pfeil sechs bis neun Gramm und bei nach unten zeigendem Pfeil neun bis zwölf Gramm.

Ungeplante Aktivität

Wenn bei ungeplanter Aktivität ein gleichbleibender oder abfallender Blutglukosespiegel zu erwarten ist, sollte der Zielwert unmittelbar vor der Aktivität angehoben werden. Der Typ-1-Diabetiker sollte zudem zehn bis 20 Gramm schnell verwertbare Kohlenhydrate zu sich nehmen, falls der Blutglukosespiegel auf unter sieben Millimol pro Liter sinkt.

Wenn ein Anstieg der Blutzuckerwerte zu erwarten ist, sollte das reguläre oder ein niedrigeres Glukoseziel ausgewählt werden.

Diabetiker blickt auf Smartphone.

Während einer sportlichen Aktivität sollten Typ-1-Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel im Blick behalten. Sinken die Werte, helfen schnell verfügbare Kohlenhydrate in Form von Traubenzucker.
© Foto: © Jesus Rodriguez / Getty Images / iStockphoto (Symbolbild mit Fotomodell)

Allgemeine Tipps

Grundsätzlich sollten Typ-1-Diabetiker möglichst wenig aktives Insulin (IOB) im Blut haben, wenn sie mit der körperlichen Aktivität beginnen. Das ist zum Beispiel in aller Regel vor dem Essen oder nach dem Fasten der Fall.

Wer nach dem Essen erhöhte Blutzuckerwerte aufweist, kann mit Aktivitäten geringer Intensität die Werte wieder in den Zielbereich bringen.

Steigen die Werte über 15 Millimol pro Liter und wird eine Ketonerhöhung von 1,5 Millimol pro Liter angezeigt, ist auf körperliche Aktivität ganz zu verzichten.

Beratung

Raten Sie Typ-1-Diabetikern dazu, ihren Blutzuckerspiegel vor dem Sport möglichst stabil zu halten (horizontaler Trendpfeil auf dem Gerätedisplay). Sollte es notwendig sein, Kohlenhydrate zuzuführen, sollten die Werte 20 bis 30 Minuten danach kontrolliert werden. Gegebenenfalls müssen weitere Kohlenhydrate zugeführt werden.

Wurden die Glukoseziele erhöht, sollte das nur bis zum Ende der Aktivität beibehalten werden. Ausnahmen: Es war ein sehr aktiver Tag oder eine späte Unterzuckerung nach dem Sport will nicht verschwinden. Ein Beispiel: Liegen die Werte nach sportlicher Aktivität bei Werten von unter fünf Millimol pro Liter, können drei bis 20 Gramm Kohlenhydrate zugeführt werden und das höhere Glukoseziel für bis zu zwei Stunden nach Trainingsende beibehalten werden.

Eine Erhöhung der Insulindosis während körperlicher Aktivität sollten sporttreibende Typ-1-Diabetiker mit ihrem Arzt besprechen. Hier reicht die Studienlage nicht aus für allgemeingültige Empfehlungen.

Frua mit Fahrradhelm trinkt.

Sportlich aktive Diabetiker, die über einen längeren Zeitraum aktiv sein möchten (z. B. Marathon,Triathlon), sollten im Vorfeld einen Arzt zurate ziehen.
© Foto: Halfpoint / Getty Images / iStockphoto (Symbolbild mit Fotomodell)

Sonderfälle

Für Wassersportarten, sportliche Aktivitäten, die in großer Höhe oder bei Ex- tremtemperaturen ausgeführt werden, sowie für extreme Ausdauersportarten gibt es insgesamt nur wenige aussagekräftige Studien. Dennoch geben die Experten auch hier Tipps, worauf Typ-1-Diabetiker achten sollten.

Wassersport-- Um eine Unterzuckerung beim Schwimmen, Surfen oder Tauchen zu vermeiden, sollte zum Beispiel ein hoher IOB zu Beginn vermieden werden. Traubenzucker zum Gegensteuern sollte immer schnell zur Hand sein.

Sport in großer Höhe-- Es gibt nur wenige Daten zur Nutzung von automatisierten Insulinabgabesystemen in großer Höhe. Möglicherweise lässt deren Genauigkeit, die Glukosewerte zu bestimmen, nach.

Extremtemperaturen-- Bei niedriger Umgebungstemperatur sind Funktionsstörungen des Messgeräts wahrscheinlicher als bei großer Hitze. Damit das Insulin in der Pumpe nicht einfriert, sollte das Gerät dicht am Körper getragen werden. Da Kohlenhydratgele bei tiefen Temperaturen leicht einfrieren, ist es besser, Glukose in fester Form mitzuführen.

Bei großer Hitze steigt das Risiko für eine Unterzuckerung. Starkes Schwitzen kann dazu beitragen, dass das Messgerät verrutscht. Es sollte daher gut fixiert werden. Außerdem sollten Typ-1-Diabetiker darauf hingewiesen werden, ausreichen zu trinken. Da Hitze die Wirkung von Insulin abschwächen kann, müssen Pumpenträger dieses schützen. Hier kann der Arzt zum Beispiel eine kürzere Schlauchlänge verordnen.

Grafik: Blutzuckerspiegel während sportlicher Aktivität

Bei der Festlegung der Therapieziele für die Blutglukosewerte während der Aktivität ist immer der Ist-Zustand vor der Aktivität ausschlaggebend. Zu berücksichtigen sind die zu erwartenden Veränderungen.
© Foto: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Matthias Emde

Ausdauersport-- Wer als Typ-1-Diabetiker sehr lange Wanderungen unternehmen oder sportlich über einen längeren Zeitraum aktiv sein möchte (z. B. Marathon, Triathlon), sollte sich ärztlich beraten lassen. Die regelmäßige Zufuhr von Kohlenhydraten kann sinnvoll sein. Größere Mengen ohne mahlzeiten- bezogene (prandiale) Insulingabe sind allerdings zu vermeiden. Es kommt dann immer mal wieder zu vorübergehenden Hyperglykämien. Das Gerät könnte darauf mit einer automatischen Steigerung der Insulinabgabemenge reagieren. Daraus resultiert dann wiederum eine Unterzuckerung.

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