Weiße Taubnessel: Die Weibernessel

- Die Weiße Taubnessel (Lamium album) gehört in die Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).
- Ihre Blütendroge, Lamii albi flos, besitzt eine Positivmonografie der Kommission E.
- Derzufolge wird sie bei Atemwegskatarrhen, oberflächlichen Hautentzündungen und bei unspezifischem Fluor albus eingesetzt.
- In der Volksmedizin werden Taubnesselblüten als Kur eingesetzt, um die Genitalschleimhäute zu regenerieren, beispielsweise nach wiederkehrenden Pilzinfektionen oder bei stressbedingtem Weißfluss.
Frauenpflanzen
02/25 Cimicifuga: Gegen Hitze
03/25 Frauenmantel: Allerfrauenheil
04/25 Schafgarbe: Frauendank
06/25 Mönchspfeffer: Symbol der Keuschheit
08/25 Weiße Taubnessel: Die Weibernessel
Die Taubnessel ist eine weit verbreitete Pflanze, die häufig an Wegrändern und Schuttplätzen anzutreffen ist. Mit ihren vierkantigen Sprossachsen und den kreuzgegenständig stehenden, herzförmigen, beidseitig behaarten Blättern ähnelt sie auf den ersten Blick einer Brennnessel. Da es sich jedoch nicht um Brennhaare handelt, ist der Hautkontakt mit der Pflanze völlig harmlos, denn es entwickeln sich keine juckenden Quaddeln, wie sie nach einem Brennnesselkontakt auftreten.
Botanisches
Der botanische Name der Weißen Taubnessel lautet Lamium album. Das Wort „Lamium“, das auch im botanischen Familiennamen Lamiaceae steckt, leitet sich vom griechischen Wort lamós für Schlund oder Rachen ab. Immerhin scheinen die familientypischen Lippenblüten die Insekten regelrecht zu verschlingen, die sich auf der Suche nach dem Nektar in die lange Kronröhre hineinwagen.
Spätestens zur Blütezeit sollte man Taub- und Brennnesseln leicht auseinanderhalten können. Die cremeweißen, etwa zwei Zentimeter großen Blüten der Weißen Taubnessel stehen in Scheinquirlen in den Blattachseln. Die Brennnessel bringt hingegen nur Blütenrispen mit winzigen, unscheinbaren Blüten hervor.
Kinder pflücken gerne von April bis Oktober Taubnesselblüten, um es den Bienen gleichzumachen und den süßen Nektar herauszusaugen. Ein Synonym, das daran erinnert, lautet Bienensaug. Andere sind Nesselweiblein oder Weibernessel. Sie verweisen auf die traditionelle Verwendung in der Frauenheilkunde. Die Weiße Taubnessel ist nicht nur mit anderen Taubnesseln verwandt (u. a. Gewöhnliche Goldnessel, Gefleckte oder Rote Taubnessel), sondern auch mit Gewürz- und Heilpflanzen wie Rosmarin, Thymian, Salbei, Bergbohnenkraut und Lavendel.

Die Blüten der Weißen Taubnessel enthalten neben Gerb- und Schleimstoffen auch ätherische Öle, Saponine, Iridoide, Flavonole und Terpene.
© Foto: Maria Brzostowska / stock.adobe.com
Inhaltsstoffe und Wirkung
Neben Gerb- und Schleimstoffen enthält die Weiße Taubnessel vor allem in ihren Blüten ätherische Öle, Saponine sowie Iridoide, Flavonole und Terpene. Auf diesen beruhen die leicht entzündungshemmenden, gewebeabdichtenden, expektorierenden, juckreizmindernden und oberflächlich betäubenden Effekte.
Anerkannt ist ihre Wirkung als Mucilaginosum und Expectorans bei Katarrhen der oberen Luftwege sowie bei leichten Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Bei oberflächlichen Hautentzündungen hilft ein Sitzbad. Dafür werden zuvor fünf Gramm der Blütendroge mit einem halben Liter heißem Wasser extrahiert.
Scheidensekret
In der Frauenheilkunde wird die Weiße Taubnessel volkstümlich bei unspezifischem Fluor albus angewendet. Üblicherweise fließen täglich rund fünf Milliliter Vaginalsekret aus der Gebärmutter. Die weißliche Flüssigkeit enthält neben Wasser und Stoffwechselprodukten Epithelzellen der Scheidenwand und Bestandteile des lokalen Mikrobioms. Insbesondere Milchsäurebakterien sorgen für einen sauren pH-Wert des physiologischen Ausflusses, der dazu dient, die Scheide zu befeuchten und vor Infektionen zu schützen.
Das Vorhandensein des Scheidensekrets ist ein Zeichen einer funktionierenden Vaginalfunktion. Seine Produktion beginnt bei Mädchen etwa zwei Jahre vor der ersten Periode. Der physiologische Ausfluss ist geruchlos, weiß und cremig-schleimig. Er wird zur Zeit des Eisprungs oder bei sexueller Erregung vermehrt produziert, um das Eindringen des Penis zu erleichtern. Menge und Beschaffenheit des Ausflusses verändern sich in Situationen mit einem besonderen Hormonstatus wie Schwangerschaft, Stillzeit oder Menopause.
Die Absonderung aus der Scheide wird Fluor vaginalis genannt, in Abgrenzung zum Fluor urethralis, dem Ausfluss, der ausschließlich aus der Harnröhre stammt. Denn nicht alles, was einen weißen oder gelben Fleck im Slip hinterlässt, stammt aus den weiblichen Geschlechtsorganen. Wie beim Mann kann es ein Zeichen für eine Infektion der Harnwege sein.
Fluor albus-- Der vermehrte Ausfluss wird wegen seiner Farbe Weißfluss oder Leukorrhö genannt. Tritt er unabhängig vom Eisprung auf, kann er ein Zeichen für eine gynäkologische Erkrankung sein und sollte im Zweifelsfall ärztlich abgeklärt werden, damit nicht eine Endometriose, Eileiter- oder Eierstockentzündung, Präkanzerose oder ein maligner Tumor übersehen werden.
Neben hormonellen Ursachen wie Östrogenmangel oder Schwangerschaft können psychosomatische und neurovegetative Gründe für die schleimigen Absonderungen vorliegen. Nicht zuletzt kann auch eine übertriebene Intimhygiene den pH-Wert der Vaginalschleimhaut verändern und einen vermehrten Ausfluss provozieren.
Warnzeichen-- Geht der Ausfluss mit Juckreiz einher, ist an eine Pilzinfektion zu denken. Des Weiteren sollte auf Farbe, Geruch und Konsistenz (z. B. dünnflüssig, krümelig) geachtet werden, die Hinweise auf bestimmte Infektionen liefern können. Ebenso wie Unterleibsschmerzen sollten sie gegebenenfalls einem Arzt vorgestellt werden.

Zur Linderung oberflächlicher Hautentzündungen kann ein Sitzbad hilfreich sein, das zuvor aus fünf Gramm der Blütendroge in einem halben Liter heißem Wasser zubereitet wird.
© Foto: bymuratdeniz / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)
Volksmedizin
Dass die Weiße Taubnessel bei Frauenleiden helfen könnte, leiteten Volksmediziner von der schlundförmigen Blüte ab, die an das weibliche Genital erinnert. Zudem stellt die Signaturenlehre einen Bezug zum Mond her, der dieser Lehre zufolge die Schleimhäute regiert. Gleichzeitig deckt sich diese Beobachtung mit der Wirkung der in den Blüten enthaltenen Schleimstoffe. Sie entfalten ihre lindernden Effekte auf Schleimhäute beispielsweise bei Atemwegskatarrhen oder vaginalen Reizungen.
Bei genitalem Ausfluss war es üblich, Taubnesseln entsprechend ihrer Farbe einzusetzen, also Weiße Taubnessel bei weißem, die gelb blühende Gewöhnliche Goldnessel bei gelbem Ausfluss und die rot blühenden Arten (Rote Taubnessel oder Gefleckte Taubnessel) bei rötlichem Ausfluss. Wegen der bereits beschriebenen möglichen Komplikationen sollte von diesen Variationen ohne ärztlichen Rat jedoch besser abgesehen werden.
Heute liegt der Schwerpunkt des volksmedizinischen Einsatzes vor allem darin, die Blüten der Weißen Taubnessel zur Regeneration der Schleimhäute einzusetzen, wenn es immer wieder zu genitalen Reizerscheinungen kommt, beispielsweise nach mehrfacher Gabe von Antibiotika, bei therapieresistenten Vaginalmykosen oder wenn chronische Entzündungen oder Stress zum übermäßigen Weißfluss führen. Dazu werden die Blüten meist in Kombination mit anderen Kräutern (u. a. Frauenmantelkraut, Schafgarbenblüten, Stiefmütterchenkraut) drei- bis viermal täglich über sechs bis acht Wochen als Tee getrunken.
Selbst gesammelt
Taubnesseln kann man natürlich als Blüten- oder Krautdroge (Lammii albi flos bzw. herba) sowie als Urtinktur kaufen. Da die Pflanze sehr häufig an Wegrändern zu finden ist, lohnt sich auch das Sammeln der ab April blühenden Pflanzen. In Büscheln getrocknet können sie für Sitzbäder oder Spülungen verwendet werden. Für einen Tee ist der Arbeitsaufwand höher, da hier die Blüten im Einsatz sind, die einzeln abgezupft werden. Zum Trocknen legt man sie an einem schattigen Platz auf ein Handtuch oder Küchenpapier.
Monografien von Blüten und Kraut
Nur die Blütendroge (Lamii albi flos) erhielt am 23.04.1987 eine Positivmonografie der Kommission E. Sie wird demnach innerlich eingesetzt bei Katarrhen der oberen Luftwege sowie zur Schleimlösung. Äußerlich helfen die Blüten bei leichten, oberflächlichen Hautentzündungen. Lokal werden sie bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenbereich verwendet sowie bei unspezifischem Fluor albus.
Die Kommission E-Monografie zum Kraut der Weißen Taubnessel kam dagegen 1993 zu dem Schluss, dass die Anwendung wegen nicht belegter Wirksamkeit nicht befürwortet werden kann. Und auch die einmal existierende Standardzulassung für das Kraut zur unterstützenden Behandlung von Beschwerden im Magen-Darm-Bereich wurde in diesem Zuge vor bald 30 Jahren gestrichen. In den aktuellen HMPC-Monografien der European Medicines Agency ist die Weiße Taubnessel weder als Blüten-, noch als Krautdroge zu finden.