Engpässe bei Fiebersäften: Schluss mit dem Flickenteppich

(cnie) Während verschiedene Krankenkassen sich derzeit dafür feiern lassen, ihre Versicherte zu entlasten, indem sie die Mehrkosten bei Fiebersäften für Kinder übernehmen, hapert es an der Umsetzung in der Praxis. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe fordert ein Ende des Flickenteppichs.

15.12.2022

Babyaugen
© Foto: shaunl / Getty Images / iStock
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Gegenüber DAS PTA MAGAZIN bemängelt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) das aktuelle Wirrwarr: „Je nach Krankenkasse, Wirkstoff und Darreichungsform werden Mehrkosten mal erstattet und mal nicht. Es sind Einzelimporte ohne Genehmigung mal möglich, mal nicht. Rezepturanfertigungen sind mal erstattungsfähig, mal nicht. Dabei variieren die Bedingungen, unter denen diese Lösungswege zulässig sind, bzw. die Formalien, die die Apotheken erfüllen müssen, von Kasse zu Kasse."

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Teilweise weichen die Vorschläge der Kassen auch von der Verständigung zwischen dem BfArM und den berufsständischen Organisationen ab. Dies sei für die Apotheken vor Ort schlicht nicht praktikabel und auch nicht mehr zu überblicken. „Mithin ist das Risiko von Retaxationen für die Apotheken nicht ausgeschlossen; hier kommt es auf Details an.", sagt eine AVWL-Sprecherin gegenüber DAS PTA MAGAZIN. Der Verband fordert deshalb, dass einheitliche und unbürokratische Lösungen für alle Kassen gefunden werden. Dabei seien folgende Aspekte zu berücksichtigen: Wirkstoffe, Darreichungsformen, Packungsgrößen, Wirkstärken-Alternativen, Arzneiform-Alternativen, Verzicht auf den Preisanker und Arztrücksprachen, Rezepturanfertigungen, „echte“ Importe nach § 73 AMG aus anderen Ländern, Retaxverzicht bei inhaltlich korrekter Versorgung.

Abrechung: Sonder-PZN „Nichtverfügbarkeit" und Faktor 4 auf dem Rezept

Eine Krankenkasse, die sich großzügig gibt, ist die Pronova BKK. Die Betriebskrankenkasse übernimmt seit August 2022 die Mehrkosten für Kinder-Fiebersäfte und teilt mit, einen einfachen Versorgungsweg für ihre Versicherten anzubieten und gleichzeitig den Apotheken die tägliche Arbeit ein wenig zu erleichtern. Dananch kann die Apotheke die Mehrkosten direkt über das Kassenrezept mit der Sonder-PZN 02567024 „Nichtverfügbarkeit“ und Faktor 4 abrechnen, sodass Eltern kein Geld auslegen müssen. Diese Regel gilt bis zum 31. März 2023.

Auch die AOK übernimmt bis Ende März Kosten bei Ibuprofen- und Paracetamol-haltigen Fiebersäften für Kinder, die über dem Festbetrag liegen. Allerdings verhandelt jede AOK einzeln mit den jeweiligen Landesapothekerverbänden über die konkrete Abrechnung. DAS PTA MAGAZIN hat beim Hessischen Apothekerverband nachgefragt. In Hessen können die Apotheken die Mehrkosten direkt mit dem Rezept gegenüber der AOK Hessen abrechnen, wenn die Mehrkosten unter fünf Euro brutto liegen. Die Kennzeichnung mit der Sonder-PZN und Faktor 4 sind wie bei der Pronova BKK für die Dokumentation notwendig.

Unklarheiten: Auskunft gibt der zuständige Landesapothekerverband

Die hessische Regelung mit der Deckelung der Mehrkostenübernahme bei 5 Euro brutto stellt nach Auskunft des AOK-Bundesverbands nicht unbedingt die Regel dar. „Die AOKs haben gegenüber den jeweiligen Apothekerverbänden die direkte Ablösung der Mehrkosten in der Apotheke angeboten.", heißt es auf Anfrage vom AOK-Bundesverband. Ob dies aber tatsächlich von allen Apotheken so umgesetzt wird und keine Versicherten diese Mehrkosten verauslagen müssen, sei der Krankenkasse nicht bekannt. Apotheken, die sich bezüglich der Abrechnung unsicher sind, wenden sich am Besten an den zuständigen Landesapothekerverband. 

Voraussetzungen für die Herstellung eines Paracetamol- oder Ibuprofensafts

Bei nachgewiesenen Engpässen dürfen Apotheken auf ärztliche Veranlassung hin auch Paracetamol- und Ibuprofen-haltige Kinderfiebersäfte als Rezeptur herstellen. Folgendes ist dabei zu beachten: 

  • Der Fiebersaft ist vom Arzt verschrieben.
  • Die Nichtbeschaffbarkeit des verordneten Fertigarzneimittels ist im Warenwirtschaftssystem der Apotheke dokumentiert.
  • Bei Nichtverfügbarkeit des verordneten Arzneimittels erfolgt die Rücksprache zu medikamentösen Alternativen mit dem Arzt.
  • Ist die Gabe von Paracetamol- oder Ibuprofen-haltigen Fiebersäften medizinisch erforderlich, muss ein neues Rezept über eine Rezeptur ausgestellt werden.
  • Die Taxierung der Rezeptur erfolgt nach Arzneimittelpreisverordnung.
  • Die Regelungen der Hilfstaxe (Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4 und 5 der AMPreisV) gelten.

Quelle: Hessischer Apothekerverband / Apothekerverband Westfalen-Lippe / Pronova BKK / AOK-Bundesverband

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