ADHS: Sitz still, hör zu, pass auf

Hans-guck-in-die-Luft, Zappelphilipp, Träumerle: Etwa fünf Prozent der Kinder in Deutschland sind von ADHS, einer Funktionsstörung des Gehirns, betroffen. Können Mikronährstoffe die Therapie unterstützen?

von Britta Fröhling
30.07.2023

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© Foto: and.one / Stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodellen)
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  • ADHS-Patienten haben oftmals zu geringe Konzentrationen bestimmter Mikronährstoffe wie Magnesium, Zink und Eisen im Blut.
  • Bei einem Defizit kann eine Nahrungsergänzung sinnvoll sein, zumal bei ADHS verordnete Psychostimulanzien häufig eine Abnahme des Appetits zur Folge haben.
  • Die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren kann unter Umständen die Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit bei Kindern verbessern.
  • Einige Studien zeigen, dass Zink die Wirksamkeit von Methylphenidat verbessern kann.
  • Eine bestehende Arzneimitteltherapie muss auf jeden Fall fortgeführt werden.

Die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zeichnet sich durch andauernde, deutlich über das dem Alter entsprechende Maß hinausgehende, Unaufmerksamkeit, mangelnde Impulskontrolle und Hyperaktivität aus, die zu Beeinträchtigungen im Schulalltag und im sozialen Bereich führen können. Als Ursache wird mittlerweile hauptsächlich eine genetische Disposition gesehen.

Aber auch psychosoziale Risikofaktoren wie das Fehlen verlässlicher Bindungen in der frühen Kindheit sowie Alkohol-, Nikotin- oder Drogenkonsum in der Schwangerschaft und Frühgeburten spielen für die Entwicklung der ADHS eine Rolle. Verantwortlich für die Symptome sind nach aktuellem Stand der Wissenschaft ein Ungleichgewicht der Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im zentralen Nervensystem sowie strukturelle Veränderungen im Gehirn.

Zur medikamentösen Therapie stehen Psychostimulanzien (Methylphenidat, Dexamfetamin, Lisdexamfetamin – alles BtM) sowie der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin und der alpha-2-Adrenorezeptor- Agonist Guanfacin zur Verfügung.

Laut der S3-Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ sind zudem eine ausgewogene und vollwertige Ernährung sowie regelmäßige sportliche Betätigung eine sinnvolle Empfehlung. Denn es gibt unter anderem Erkenntnisse, dass ADHS-Patienten oftmals zu geringe Konzentrationen bestimmter Mikronährstoffe wie Magnesium, Zink und Eisen im Blut haben. Ebenfalls häufig ist ein Mangel an Omega-3-Fettsäuren (z. B. Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure, z. B. in Lachs) und Omega-6-Fettsäuren (z. B. Arachidonsäure, gamma-Linolensäure, z. B. in Borretschöl). Für allgemeingültige Empfehlungen zur Nahrungsergänzung reichen die Studienergebnisse allerdings nicht aus.

Dennoch gibt es Hinweise, dass sich beispielsweise die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren positiv auf Konzentrationsprobleme und Unruhe auswirken kann. Vor allem bei leichter Symptomatik kann daher eine Nahrungsergänzung über drei bis sechs Monate, im Idealfall ärztlich begleitet, einen Versuch wert sein. Für einige Patienten kann es hilfreich sein, auf künstliche Farbstoffe oder andere Nahrungszusätze zu verzichten.

Fall aus der Offizin

Frau Marx löst ein Betäubungsmittelrezept über zehn Milligramm Methylphenidat für ihren zehnjährigen Sohn Linus ein. „Haben Sie noch einen Tipp, was ich zusätzlich für Linus tun kann? Man liest ja viel über Vitamine und so, da blicke ich gar nicht durch“, wendet sie sich an die PTA. „Wie sieht es denn mit Linus Ernährung insgesamt aus? Isst er Gemüse, Fisch, Nüsse, Vollkornprodukte? Hat er einen guten Appetit?“, erkundigt sich die PTA.

Frau Marx erklärt, dass Linus, der schon immer eher wählerisch war und am liebsten pure Nudeln isst, durch seine Medikation noch weniger Appetit hat als vor Beginn der Therapie. „Wichtig ist eine gute Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren und Zink. Wenn Ihr Sohn nicht gerne Fisch, Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkornprodukte und Käse isst, können Sie die Versorgung mit diesen Nährstoffen durch die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln unterstützen“, rät die PTA. Sie weist darauf hin, dass der verminderte Appetit durch das Methylphenidat beim Kinderarzt erwähnt werden muss.

Omega-3-Fettsäuren

Omega-3-Fettsäuren sind Bestandteile der Nervenzellmembranen und beeinflussen vermutlich auch die Aktivierung von Adenosinrezeptoren, die im zentralen Nervensystem an zahlreichen Vorgängen beteiligt sind. Unter anderem beeinflussen sie das Neurotransmittergleichgewicht. Eine gute Versorgung mit den essenziellen Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure ist für viele Kinder und Jugendliche jedoch schwer zu erreichen. Dieser entgegen stehen in vielen Fällen die Vorliebe für Fastfood, einfache Kohlenhydrate und manchmal auch ein eher unausgewogenes Mittagessen in Kita, Schule und Hort. Die Studienlage zur unterstützenden Behandlung von ADHS mit Omega-3-Fettsäuren ist uneinheitlich. Jedoch zeigt sich häufig ein positiver Effekt, wenn die Zufuhr allein über die Nahrung gering war.

Im Beratungsgespräch

Erklären Sie den Betroffenen oder deren Eltern, dass die alleinige Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren keine ausreichende Therapie der ADHS darstellt: „Es können sich jedoch positive Effekte zeigen, wenn die Zufuhr über Lebensmittel gering ist, also wenig Fisch wie Lachs, Hering oder Makrele, Walnüsse und Öle wie Raps- oder Leinöl verzehrt werden.“

Gerade bei geringerem Appetit durch die Medikation kann eine zusätzliche Zufuhr positive Effekte zeigen. Grundsätzlich sollte der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln immer mit dem Kinderarzt abgestimmt werden. Wird zum Beispiel in den Ferien versucht, ob es auch ohne Medikamente oder mit einer geringeren Dosis funktioniert, bessert sich meist der Appetit. Raten Sie Eltern, dann noch mehr auf eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung und eine ausreichende Mikronährstoffzufuhr zu achten als normalerweise, um eventuelle, durch die Arzneimitteleinnahme geförderte Defizite auszugleichen.

Zink

Das Spurenelement Zink hilft bei der Glukoseverwertung in den Nervenzellen und beeinflusst den Neurotransmitterhaushalt im Gehirn. Es hat unter anderem Auswirkungen auf die Funktion bestimmter Membranproteine, die für die Dopaminaufnahme zuständig sind. Außerdem schützt Zink das Gehirn vor übermäßigem oxidativem Stress, der mit dem Auftreten von ADHS-Symptomen korreliert. In unterschiedlichen Blut- und Gewebeproben von Betroffenen mit ADHS wurden niedrige Zinkspiegel nachgewiesen.

Aus dem OTC-Sortiment*

Produkt

Inhaltsstoffe

Dosierung / Verzehrempfehlung

Pure encapsulations DHA Junior

Öl von Hochseefischen

ab 1 J.: 2 x 1 Kps./d, zu den Mahlzeiten

Norsan Omega-3 Kids Jelly

Fischöl, Vitamin D3

3 bis 6 J.: 2 Drg./d 6 bis 12 J.: 4 Drg./d

Orthomol Junior Omega plus

Omega-3-Fettsäuren, Borretschöl, Vitamin E, Vitamin C, Vitamin B1, B2, B6, B12, Niacin, Folsäure, Biotin, Pantothensäure, Magnesium, Eisen, Zink

ab 4 J. bis 14 J.: 3 Toffees/d

Esprico Kaukapseln

Omega-3-Fettsäuren, Magnesium, Zink

ab 5 J.: 2 x 2 Kaukps./d

Zinkletten Verla Himbeere Lutschtabletten

Zink, Vitamin C

ab 2 J.: 1 Ltbl. jeden 2. d

ab 4 J.: 1 Ltbl./d

Concentrix

Fischöl, Borretschöl, Folsäure, Betacaroten, Zink, Eisen, Selen, Magnesium, Vitamin E, Vitamin B1, B2, B6, B12

ab 4 bis 9 J.: 2 x 1 Kps./d, zu den Mahlzeiten

ab 10 J.: 2 x 2 Kps./d, zu den Mahlzeiten

*beispielhafte Nennungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit (Stand der Information: 11.07.2023)

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© Foto: happy_lark / Stock.adobe.com

Wer von ADHS betroffen ist, sollte ganz besonders auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung achten.

Im Beratungsgespräch

Zink findet sich unter anderem in Käsesorten wie Emmentaler und Gouda, in Haferflocken, Linsen, Erd- und Paranüssen. Wenn Zweifel bestehen, ob über die Nahrung eine ausreichende Menge aufgenommen wird, kann der Mineralstoff über Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. Die Aufnahme kann durch die Auswahl organischer Zinkverbindungen verbessert werden. In Studien hat sich der positive Effekt von Zink insbesondere in Kombination mit der Einnahme von Methylphenidat gezeigt, die Wirksamkeit des Arzneistoffs konnte erhöht werden. Es ist wichtig, Eltern und Betroffene darauf hinzuweisen, dass eine Arzneitherapie auf jeden Fall fortgeführt werden muss und Mikronährstoffe nur eine Ergänzung sind.

Sonstiges

Neben Zink ist Magnesium als Mineralstoff an der Signalübertragung im Gehirn beteiligt. Als Co-Faktor von Enzymen wirkt es unter anderem ausgleichend im Neurotransmitterstoffwechsel und verbessert die Toleranz der Nervenzellen gegenüber Neurotransmittern wie Glutamat. Außerdem beeinflusst es zahlreiche enzymatische Abläufe im gesamten Körper, weshalb die ausreichende Versorgung generell wichtig ist. Neben der Auswahl entsprechender Lebensmittel kann der Bedarf über magnesiumreiche Mineralwässer gedeckt werden.

Besteht ein Mangel, was bei Kindern mit ADHS vergleichsweise oft der Fall ist, kann ein an Alter und Gewicht des Kindes angepasstes Nahrungsergänzungsmittel positive Effekte auf die Verhaltensstörung zeigen. Gute Effekte zeigten sich auch bei einer Kombination mit Vitamin D. Diese sollte aber nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt erfolgen, da bei diesem fettlöslichen Vitamin eine Überdosierung möglich ist.

Britta Fröhling ist PTA und Heilpraktikerin. Sie stellt in DAS PTA MAGAZIN Krankheitsbilder vor, die mit einem erhöhten Bedarf an Mikronährstoffen einhergehen können.

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