Mikrobiom: Gut und böse

Mit diesem Sammelbegriff werden alle Mikroorganismen bezeichnet, die die Kontaktflächen des menschlichen Körpers zur Außenwelt besiedeln. Dazu gehören Bakterien, Viren, Pilze, Archaeen, Protozoen und Milben.

von Dr. Ute Koch
30.04.2025

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© Foto: DuangphonKPR / Generated with AI / Stock.adobe.com
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  • Ein Mikrobiom gibt es an allen Kontaktflächen des Körpers zur Außenwelt.
  • Das bekannteste und bisher am besten erforschte Mikrobiom ist das des Darms.
  • Zum menschlichen Mikrobiom gehören Bakterien, Archaeen, Viren, Pilze, Protozoen und Milben.
  • Die Gesamtheit der Viren, als Bestandteil des Mikrobioms, wird Virom genannt.
  • Bei der Stuhltransplantation (Mikrobiom-Transfer) sind erste Therapieerfolge zu verzeichnen.

Die Vielfalt und die gesundheitlichen Auswirkungen des Mikrobioms stehen schon lange im Fokus der Wissenschaft. Am besten untersucht, aber längst nicht vollständig verstanden, ist das Darmmikrobiom mit seinen „guten und schlechten Bakterien“. Doch damit allein geben sich Forschung und Medizin nicht zufrieden, weshalb es im Folgenden um Aspekte geht, die noch wenig bekannt sind beziehungsweise auf Anhieb nicht dem Mikrobiom zugeordnet werden.

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Viren und Bakteriophagen

Streng genommen sind Viren keine Mikroorganismen beziehungsweise keine Lebewesen. Ihnen fehlt unter anderem ein eigener Energiestoffwechsel, weshalb sie zum Überleben und Vermehren Wirtszellen benötigen. Mittlerweile steht fest, dass Viren nicht nur Infektionskrankheiten auslösen können, sondern einige ihrer Vertreter nützliche Bestandteile des menschlichen Mikrobioms sind.

In ihrer Gesamtheit werden sie als Virom bezeichnet. Allerdings ist über das Virom bisher nicht annähernd so viel bekannt wie über das Bakteriom, die bakteriellen Vertreter des Mikrobioms. So ist die Wissenschaft nicht ohne Grund dabei, das Virom zu erforschen – insbesondere die dazu gehörigen Bakteriophagen: Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren.

Weitere Mikrobiom-Vertreter

Ein bestens bekanntes Beispiel für Pilze ist der Hefepilz Candida albicans, der die Schleimhäute fast aller Menschen besiedelt, und das zumeist unbemerkt. In bestimmten Situationen, wie bei eingeschränkter Abwehrlage, kann er zu Infektionen führen – zum Beispiel in der Vagina oder im Mund- und Rachenraum.

Archaeen sind wie Bakterien einzellige Mikroorganismen ohne echten Zellkern. Gemeinsam werden sie als „Prokaryoten“ (griech.: ohne Kern) bezeichnet. Auf den ersten Blick sind Archaeen und Bakterien ähnlich, unterscheiden sich jedoch deutlich in ihren Zellstrukturen, zum Beispiel im Aufbau der Zellwand oder Zellmembran. Im Darm helfen Archaeen beim Abbau von Nährstoffen. Ihre Funktionen auf der Haut sind noch ungeklärt. Für den Menschen pathogene Archaeen sind bisher nicht bekannt.

Protozoen (Urtierchen) sind ebenfalls einzellige Lebewesen. Im Gegensatz zu Bakterien und Archaeen besitzen sie einen Zellkern sowie weitere Gemeinsamkeiten mit tierischen Zellen. Unter den Protozoen gibt es für den Menschen nicht pathogene und pathogene Vertreter.

Kinder mit Tieren


© Foto: mbot / Getty Images / iSock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Demodex-Milben

Sie werden auch Haarbalgmilben (Demodex folliculorum) genannt, weil sie die Haarfollikel besiedeln. Demodex-Milben ernähren sich von Talg und sind daher vor allem in seborrhoischen Haararealen vorzufinden, insbesondere im Gesicht. Die Milben gelangen schon in der Kindheit auf die Haut fast jedes Menschen – zumeist als harmlose und unbemerkte Hautbewohner. Mit zunehmendem Lebensalter steigt ihre Anzahl, weshalb sie unter bestimmten Umständen zur Pathogenese einiger Hauterkrankungen beitragen können. Bekannteste Beispiele sind Rosazea und Rosazea-ähnliche Dermatosen.

An den Lidrändern können Demodex-Milben ebenfalls Probleme bereiten, wenn sie die Meibomdrüsen (Lidranddrüsen) übermäßig besiedeln. Typische Anzeichen sind zylindrische Hautschuppen an den Wimpernansätzen sowie ein gestörtes Wimpernwachstum. Die Wimpern fallen aus oder wachsen in die falsche Richtung, wobei sie das Auge mechanisch reizen. Zu weiteren häufigen Symptomen gehören stark juckende Lidränder, Brennen der Augen und Lider sowie ein Fremdkörper- und Trockenheitsgefühl am Auge, ebenso Tränenfluss und verschwommenes Sehen. Daneben sind Demodex-Milben ein nicht seltenes Problem bei Hunden, wobei eine Übertragung auf den Menschen bisher nicht belegt ist.

Okuläres Mikrobiom

Erste Studien deuten darauf hin, dass die mikrobielle Besiedelung des Auges, der Bindehaut des Auges und des Lidrandes an ophthalmologischen Erkrankungen beteiligt sein könnte. Beispielsweise wurden bezüglich der bakteriellen Besiedelung Unterschiede bei Menschen mit und ohne Meibomdrüsen-Dysfunktion gezeigt, ebenso mit und ohne Augentrockenheit. Bis jedoch über neue Therapieansätze in diesen Indikationen nachgedacht werden kann, bedarf es noch intensiver Forschungsarbeit.

Mikrobiom-Transfer

Für eine Stuhltransplantation sprechen bisher die Studienergebnisse bei wiederkehrenden Infektionen durch Clostridioides difficile (früher: Clostridium difficile). Das Bakterium ist im menschlichen Darmtrakt weit verbreitet und normalerweise ungefährlich. Allerdings kann es sich bei stark gestörter Darmflora (Dysbiose) extrem vermehren und eine schwere Darmentzündung (pseudomembranöse Kolitis) mit heftigem, blutigem Durchfall verursachen.

Risikopatienten für diese lebensbedrohliche Infektion sind Menschen mit Vorerkrankungen (insbesondere gastroenterologische Erkrankungen und/oder eingeschränkte Immunabwehr), die sich in medizinischen Einrichtungen aufhalten und Antibiotika erhalten. Paradoxerweise ist die Standardbehandlung einer Infektion mit C. difficile eine antibiotische Behandlung, üblicherweise mit Metronidazol oder Vancomycin.

Diese führt oft zum Erfolg, manchmal jedoch auch zum Teufelskreis einer erneuten Infektion mit C. difficile. Für diese Fälle hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ein Präparat zur Stuhltransplantation zugelassen, das als Einlauf verabreicht wird. Hingegen ist die Datenlage für eine Stuhltransplantation bei Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn bisher unbefriedigend und/oder unzureichend. Vielversprechend, aber noch sehr vage sind die Daten für eine Stuhltransplantation bei Menschen mit Morbus Parkinson.

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