Schlaf: Unverzichtbar

- Bei Schlafstörungen hat sich ein stufenweises Vorgehen bei der Therapie bewährt.
- PTA können zunächst ein mildes pflanzliches Mittel empfehlen, auch die Aminosäure Tryptophan und ggf. Melatonin sind eine Option.
- Antihistaminika helfen Kunden, die auf langen Flugreisen schlafen oder am Wochenende ausschlafen möchten.
- Bei schweren Ein- und Durchschlafstörungen kommen nicht benzodiazepine Hypnotika wie Zolpidem, Zopiclon und Eszopiclon zum Einsatz.
- Der Orexin-Blocker Daridorexant mindert den Wachdrang und ermöglicht so den Schlaf.
Wie viel Schlaf jemand benötigt, ist individuell unterschiedlich. Während einige mit sechs Stunden auskommen, brauchen andere acht oder mehr. Sechs Stunden sollten es jedoch mindestens sein, auch im höheren Alter. Denn nachts werden die am Tag gesammelten Eindrücke und Informationen im Gehirn verarbeitet. Zudem regeneriert der Körper während des Schlafs.
So läuft zum Beispiel der Stoffwechsel während der ersten Nachthälfte auf Hochtouren. Proteine werden neu gebildet, Energiespeicher wieder aufgefüllt und tagsüber gebildete Abbauprodukte des Stoffwechsels abtransportiert. Vor allem in der ersten Nachthälfte ausgeschüttete Hormone fördern die Regeneration von Knochen, Muskeln und inneren Organen. Erholsamer Schlaf ist zudem wichtig für die Immunabwehr. So werden nachts vermehrt natürliche Killerzellen, Antikörper- und T-Zellen produziert und aktiviert. Diese unterstützen die Abwehr von Krankheitserregern.
Doch was tun, wenn der Schlaf sich partout nicht einstellen will oder man nachts ständig wieder aufwacht? Viele suchen dann zunächst in der Apotheke Rat.
Schlafprobleme einordnen
Berichten Kunden von Schlafstörungen, sollten Sie nach dem Schlafverhalten fragen und danach, wie lange die Probleme bereits andauern. Oftmals haben die Kunden falsche Vorstellungen von der richtigen Schlafdauer. Manchmal reichen dann Maßnahmen zur Schlafhygiene (z. B. regelmäßige Schlaf- und Aufstehzeiten, ausreichend körperliche Aktivität, mäßiges Essen am Abend, kein Mittagsschläfchen) und Entspannungsübungen, um den Schlaf zu verbessern.
Wer jedoch mindestens dreimal in der Woche länger als eine halbe Stunde zum Einschlafen braucht (direkt abends nach dem Zubettgehen oder nach dem nächtlichen Aufwachen) oder bereits nach fünf Stunden oder noch früher wieder aufwacht, ohne wieder einschlafen zu können, leidet womöglich unter einer Ein- oder Durchschlafstörung oder frühmorgendlichem Erwachen. Hier sollte zum Arztbesuch geraten werden.
Ohne Rezept
Kommen Sie zu dem Schluss, dass der Kunde zunächst selbst aktiv werden kann, um wieder besser zu schlafen, stehen im Rahmen der Selbstmedikation verschiedene Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel zur Verfügung. Hier ist ein stufenweises Vorgehen empfehlenswert. Bei sporadisch auftretenden oder erst seit kurzem bestehenden Schlafproblemen können PTA als ersten Schritt ein mildes Schlafmittel empfehlen, in einem zweiten dann die Aminosäure Tryptophan und gegebenenfalls Melatonin. Antihistaminika sind probate Mittel, wenn der Kunde beispielsweise auf einer Flugreise schlafen oder nur am Wochenende mal wieder richtig ausschlafen möchte.
Phytopharmaka
Pflanzliche Arzneimittel, als eine milde Form der Sedativa, sollten hoch dosiert und idealerweise als Kombinationspräparat empfohlen werden, rät zum Beispiel der Schlafmediziner Prof. Ingo Fietze von der Berliner Charité basierend auf seiner praktischen Erfahrung. Sie müssen mindestens vier bis sechs Wochen jeden Abend eingenommen werden. Sonst lässt sich nicht beurteilen, ob das Phytopharmakon überhaupt hilft.
Typische schlaffördernde Pflanzen sind Baldrian, Hopfen und Melisse. Der Extrakt aus der Baldrianwurzel enthält ätherisches Öl, Valepotriate, Terpene und Lignane. Diese Inhaltsstoffe sorgen für eine verkürzte Einschlafzeit und eine verbesserte Schlafqualität.
Hopfenblüten enthalten Bitterstoffe und ätherisches Öl. Beide Inhaltsstoffe wirken beruhigend und schlaffördernd. Die Blüten des Doldengewächses verstärken die Effekte anderer pflanzlicher Sedativa und sind daher häufig in Kombinationspräparaten zu finden.
In Melissenblättern wurden als wirksame Bestandteile Hydroxyzimtsäurederivate und ätherisches Öl identifiziert. Vor allem bei nervös bedingten Einschlafstörungen können Melissenblätter wegen ihrer beruhigenden und entspannenden Eigenschaften als mildes Schlafmittel unterstützen. Auch der wässrige Extrakt des Passionsblumenkrauts wirkt schlaffördernd.
Weitere Optionen-- Johanniskraut und Lavendelblüten sind hingegen keine Schlafmittel. Sie können durch ihre Wirksamkeit in ihrem eigentlichen Anwendungsgebiet jedoch auch Schlafprobleme bessern, die mit der Grunderkrankung zusammenhängen. So können Kunden, die unter leichten depressiven Verstimmungen gepaart mit Schlafproblemen leiden, Präparate mit Johanniskrautextrakt ausprobieren. Für Lavendelblüten konnte in qualitativ hochwertigen Studien belegt werden, dass sie entspannende, beruhigende und angstlösende Eigenschaften besitzen. Auch das kann sich dann positiv auf den Schlaf auswirken.
Diese Tipps zur Schlafhygiene können Sie Ihren Kunden geben

Schlafhygienische Maßnahmen zielen darauf ab, einen besseren, qualitativ hochwertigeren Schlaf zu fördern. Eine gute Schlafhygiene kann bei der Vorbeugung von Schlafstörungen helfen und die Leistungsfähigkeit am Tag steigern.
© Foto: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Matthias Emde
Aminosäuren
Wirken Phytopharmaka nicht, können PTA Tryptophan in Form eines Nahrungsergänzungsmittels empfehlen – und zwar 500 bis 1.000 Milligramm über mindestens vier Wochen. Die Aminosäure ist eine Vorstufe von Serotonin und Melatonin. Die Anwendung soll bewirken, dass sich die Kunden im Tagesverlauf besser fühlen und dann nachts besser schlafen. Laut Schlafforscher Fietze ist das auf jeden Fall einen Versuch wert, auch wenn nur wenige darauf ansprechen. PTA sollten bei der Abgabe darauf hinweisen und keine falschen Hoffnungen wecken.
Melatonin
Hilft auch das nicht, kann Melatonin probiert werden. Präparate mit dem körpereigenen Hormon helfen vor allem dann, wenn die Schlafprobleme tatsächlich mit einem Melatoninmangel zusammenhängen. Laut Fietze hat Melatonin seine Stärke bei Älteren, wenn der Melatoningehalt im Körper physiologisch bedingt geringer ist.
Antihistaminika
Die beiden OTC-Antihistaminika Doxylamin und Diphenhydramin wirken sedierend. Die empfohlene Dosis beträgt 25 bis 50 Milligramm, eingenommen etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen.
Im Unterschied zu pflanzlichen Arzneimitteln können Antihistaminika sich durch einen Hang-over-Effekt am Folgetag bemerkbar machen. Die Behandlungsdauer darf ohne Rezept 14 Tage nicht überschreiten. Regelmäßig sollten Antihistaminika bei Schlafstörungen nicht eingenommen werden.
Übrigens: Ältere Menschen reagieren sensibler als junge auf die beiden Wirkstoffe. Sie sollten dieser Personengruppe nur zurückhaltend empfohlen werden – und wenn, dann nur in niedriger Dosierung.
Mit Rezept
Wenn mit den milderen Mitteln kein Erfolg erzielt wurde, führt an einem Arztbesuch nichts mehr vorbei und kommt die nächste Stufe der Arzneimitteltherapie zum Zug. Hier können Psychopharmaka (z. B. Doxepin) auch bei primären Schlafstörungen eingesetzt werden – laut Fietze sollte die Dosis allerdings sehr gering sein. Wirkt das nicht, bringt es auch nichts, die Dosis zu steigern.
Klassische Hypnotika sind die mit Benzodiazepinen verwandten Substanzen Zolpidem, Zopiclon und Eszopiclon (Z-Drugs). Bei Ein- und Durchschlafstörungen empfiehlt der Schlafmediziner Eszoplicon als neueste der drei Substanzen. Auf die früher als Heilbringer propagierten Benzodiazepine (z. B. Flurazepam, Lormetazepam, Triazolam) sollten Ärzte heute besser verzichten. Laut Schlafmediziner Fietze gibt es heute weit wirksamere und nebenwirkungsärmere Möglichkeiten. Hierzu gehört auch der Orexin-Blocker Daridorexant. Die Substanz mit neuem Wirkmechanismus soll den Wachdrang mindern und so den Schlaf ermöglichen, ohne dass die Anteile der physiologischen Schlafphasen verändert werden. Laut Hersteller soll es keinen Hang-over-Effekt geben.
Bereits 2023 war einer der renommiertesten Schlafmediziner Deutschlands, Prof. Dr. Ingo Fietze von der Berliner Charité zu Gast in unserem Podcast PTA FUNK. Hören Sie, was der „Anwalt der Schlaflosen“ rät.