Haltungskennzeichen: Zum Wohl der Tiere

Sie sollen beim Einkauf Klarheit über die Lebensbedingungen von Nutztieren bringen. Damit das funktioniert, müssen Verbraucher wissen, was die einzelnen Tierhaltungskennzeichen bedeuten.

von Beate Ebbers
29.08.2025

Schwein
© Foto: ClarkandCompany / Getty Images / iStockphoto
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  • Tierhaltungskennzeichen sollen Verbrauchern Klarheit über die Lebensbedingungen von Nutztieren bringen.
  • Sie ermöglichen es Verbrauchern, sich beim Kauf von tierischen Produkten bewusst für eine bestimmte Tierhaltung zu entscheiden.
  • Zu den bekanntesten zählen das Haltungsform-Siegel und die Siegel der Initiative Tierwohl und des Tierschutzbundes.
  • Empfehlenswert ist, sich über Anforderungen und Kriterien genau zu informieren.

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Siegel, Label, Kennzeichen

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Nach dem Ernährungsreport 2023 halten beim Fleischkauf 85 Prozent der Verbraucher Informationen darüber, wie und wo die Tiere gelebt haben, für wichtig. Nahezu 65 Prozent achten auf ein entsprechendes Siegel auf der Verpackung. Mehr als zehn unterschiedliche Tierhaltungskennzeichen für die Fleisch-, Milch- und Eiproduktion gibt es mittlerweile. Sie unterscheiden sich in ihren Anforderungen an eine artgerechte Haltung und das Tierwohl.

Fehlende Definitionen

Weder das Wort „Tierwohl“ noch der Begriff „artgerechte Haltung“ sind gesetzlich definiert. Standardisierte Kriterien und Messinstrumente zur Erfassung und Beurteilung des Wohlergehens fehlen weitgehend. Grundsätzlich müssen sich Landwirte bei der Haltung, dem Transport und der Schlachtung von Nutztieren an tierschutzrechtliche Anforderungen halten, wie sie beispielsweise im Tierschutzgesetz oder der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgeschrieben sind. Die Einschätzung darüber, ob sich Tiere wohlfühlen, es ihnen gut oder schlecht geht, ist jedoch unterschiedlich.

Für manche umfasst das Wohlergehen die Abwesenheit von Schäden, körperlichen Leiden und Krankheiten. Für andere sind darüber hinausgehende Aspekte, zum Beispiel die Vermeidung von Langeweile oder Einsamkeit durch das Ausleben des artspezifischen Verhaltens, zusätzlich bedeutsam. Auf nationaler und europäischer Ebene entwickeln daher derzeit agrarwissenschaftliche und tiermedizinische Institutionen objektive Indikatoren und Monitoringsysteme für die Erfassung und Beurteilung von Tierwohlkriterien.

Ausgewählte Siegel

Die Siegel werden von verschiedenen Initiativen des Handels, der Fleisch- und Landwirtschaft und anderer Verbände auf freiwilliger Basis vergeben. Da sie auf einer Vielfalt unterschiedlicher Vorgaben für verschiedene Tierarten und Produktionsweisen basieren, sind sie für Verbraucher mitunter schwer zu beurteilen. Die Bundesregierung hat daher 2023 eine einheitliche, verpflichtende staatliche Tierwohlkennzeichnung mit rechtsverbindlichen Kriterien auf den Weg gebracht.

Die verbindliche Einführung für verpacktes und offen verkauftes Schweinefleisch sollte im August dieses Jahres erfolgen. Inzwischen wurde die Übergangsfrist für eine verpflichtende Kennzeichnung auf den 1. März 2026 verlängert.

Grafik: Die fünf Stufen der Haltungsformen

Das farbige Haltungsform-Kennzeichen ist ein freiwilliges Label. Ab Stufe 3 sind die Tierhaltungsbedingungen gegenüber dem gesetzlichen Mindeststandard deutlich verbessert. Das Siegel sagt nichts über das Tierwohl.
© Foto: DAS PTA MAGAZIN / Illustration: Matthias Emde

Initiative Tierwohl-Siegel

Das gelbe Siegel mit dem blauen Haken wird seit 2021 von der Initiative Tierwohl für Geflügel- und Schweinefleischprodukte vergeben. Die Initiative aus Handel, Fleisch- und Landwirtschaft wurde 2015 gegründet und bietet ein Förderprogramm für eine artgerechte Nutztierhaltung. Dieses richtet sich an landwirtschaftliche Betriebe mit beispielsweise Schweinemast und Ferkelaufzucht sowie Haltung von Hühnern und Puten. Für Produkte rund um das Rind gilt das Förderprogramm ebenfalls. Es werden jedoch noch keine Siegel verliehen.

Mit der Teilnahme an dem Programm verpflichten sich die Landwirte zur Einhaltung zahlreicher Basiskriterien, beispielsweise die Einführung eines Qualitätssicherungssystems. Darüber hinaus gelten je nach Tierart spezifische Kriterien.

Beispielsweise müssen Schweinen zur Befriedigung ihres Spieltriebes Spielzeuge aus natürlichen Materialien (z. B. Holzklötze, Naturkautschukbälle) und Kälbern Scheuermöglichkeiten im Stall zur Verfügung gestellt werden. Die Einhaltung der Anforderungen wird von unabhängigen Kontrolleuren zweimal jährlich überprüft. Als Entschädigung für Mehraufwand und -kosten zahlt die Initiative dem Landwirt ein Tierwohlentgelt.

Derzeit arbeiten 12.300 Betriebe nach den Vorgaben. Wie die Kriterien für jede Tierart im Einzelnen aussehen, können Verbraucher auf der Website initiative-tierwohl.de nachlesen.

Sinnvoll?-- Die weit über die gesetzlichen Tierschutzstandards hinausgehenden Kriterien und die engmaschigen, zum Teil unangekündigten Kontrollen können zu besseren Lebensbedingungen von Nutztieren beitragen. Begrüßenswert ist, dass sich die Vorgaben nicht nur auf die Haltungsform (z. B. Stall, Weide), sondern auch auf besondere Aspekte der Gesundheit und Hygiene beziehen. Zu wünschen ist, dass die Siegelvergabe auch auf Rind-, Kalbfleisch- und Milchprodukte ausgedehnt wird.

Tierschutzlabel

Das Label „Für Mehr Tierschutz“ wurde 2013 vom Tierschutzbund ins Leben gerufen. Die Anforderungen beziehen sich auf die Anzucht, die Haltung, den Transport und die Schlachtung von Schweinen, Mastrindern, Milchkühen und Geflügel. Auch die Zerlegung des Schlachtgutes und die Verarbeitung der Fleisch-, Milch- und Eiprodukte bis hin zu ihrem Verkauf im Lebensmitteleinzelhandel oder in der Außer-Haus-Verpflegung sind geregelt.

Das Siegel besteht aus zwei Varianten: einer Einstiegsstufe (ein goldener Stern) mit Basiskriterien sowie einer Premium-stufe (zwei goldene Sterne) mit zusätzlichen Anforderungen. Beispielsweise liegt die Bestandsobergröße von Masthühnern pro Stall in der Einstiegsstufe bei 60.000, in der Premiumstufe bei nur 16.000 Tieren.

Die Kriterien sind auf der Website tierschutzlabel.info veröffentlicht. Ihre Einhaltung wird regelmäßig und unangekündigt durch unabhängige, akkreditierte Zertifizierungsstellen kontrolliert. Erzeuger und Verarbeiter werden für Mehraufwand und -kosten nicht entschädigt, sodass derzeit nur um die 500 Betriebe nach den Vorgaben arbeiten.

Sinnvoll?-- Kein anderes Siegel stellt mit seiner Spanne von der Tieraufzucht bis zum Verkauf der tierischen Produkte so weitreichende Anforderungen. Die strengen Vorgaben, wie die Bestandsobergrenzen, sorgen dafür, dass das Label für großindustrielle Tierhaltung nicht praktikabel ist. Verbraucher können somit davon ausgehen, dass die mit dem Siegel versehenen Produkte aus kleinbäuerlicher Erzeugung stammen.

Zudem umfassen die Kriterien ein Verbot von gentechnisch erzeugten Zusatzstoffen in der Fleischverarbeitung; die Produkte sind also gentechnikfrei. Wegen der geringen Teilnehmerzahl ist das Angebot an den Tierschutzprodukten gering. Die Preise sind deutlich höher als beispielsweise für Produkte der Initiative Tierwohl.

Haltungsform-Siegel

Das Kennzeichnungssystem aus fünf Siegeln wurde 2019 von großen deutschen Lebensmittelhändlern auf den Weg gebracht. Es informiert beim Kauf von Fleisch oder Milch darüber, wie die Tiere gehalten wurden. Gekennzeichnet werden Milchprodukte und Fleisch von Schweinen, Rindern, Puten, Hühnern, Pekingenten und Kaninchen.

Für das Siegel wurden keine neuen Kriterien festgelegt, sondern die Anforderungen schon bestehender Siegel einer Stufe zugeordnet: Haltungsform 1 (Stall) entspricht den gesetzlichen Mindeststandards. Bei der Haltungsform 2 (Stall + Platz) steht den Tieren mehr Platz im Stall zur Verfügung als gesetzlich vorgeschrieben. Sie entspricht zum Beispiel den Kriterien der Initiative Tierwohl. In der Stufe 3 (Frischluftstall) haben die Tiere Kontakt mit dem Außenklima, etwa durch eine offene Stallseite. Sie entspricht zum Beispiel den Anforderungen der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels.

Besteht ein Zugang ins Freie (Weide, Laufhof), wird die Haltung der Stufe 4 (Auslauf/Weide) zugeordnet. Das entspricht beispielsweise den Kriterien der Premiumstufe des Tierschutzlabels. Produkte von Tieren, deren Haltung den Kriterien der EU-Öko-Verordnung entspricht, gehören der Stufe 5 (Bio) an. Die genauen Mindestanforderungen für die unterschiedlichen Haltungsformstufen je nach Tierart sind auf haltungsform.de veröffentlicht.

Sinnvoll?-- Das Siegel ist weit verbreitet. Es findet sich fast auf allen verpackten Fleischprodukten deutscher Discounter und Supermärkte. Dank der Farben, der großen Schrift und der Schlagworte ist es leicht, die Tierhaltung ohne weiteres Wissen zu beurteilen.

Wichtig: Das Siegel lässt keinen Rückschluss auf das Wohlergehen der Tiere zu. Es berücksichtigt lediglich die Haltungsbedingungen. Weitergehende Aspekte, beispielsweise der Umgang mit Antibiotika oder Hygienebedingungen, werden außer Acht gelassen. Verbraucher finden daher auf der Verpackung oft zusätzliche Tierwohlsiegel (z. B. Bio-Siegel, Initiative Tierwohl-Label).

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